Sternenfaust - 092 - Widerstand
Meyer sah genervt auf die Uhr und stellte fest, dass sie den 17 Uhr-Busgleiter wohl ohnehin nicht mehr bekommen würde. Sie seufzte und rief sich die gerade eingetroffene Datei auf den 3-D-Schirm. »Wollen doch mal sehen, was da noch so wichtig ist …«
Die Nachricht stellte sich als Memo aus dem Büro des Lordmanagers persönlich heraus!
Wynton R. Canetti plante Darelis II übermorgen einen Besuch abzustatten. Entsprechende Vorbereitungen seien zu treffen, er werde mit einem größeren Gefolge militärischer Begleiter am frühen Nachmittag auf einem der Regierung vorbehaltenen Landeplatz des Raumhafens von Einstein-City eintreffen. Diskretion sei dabei die oberste Direktive! Ein Geheimtreffen sei kurzfristig anberaumt worden. Einstein-City sollte der Ort für eine dringend erforderliche Konferenz werden, bei der sich hochrangige Politiker der Drei Systeme über die »aktuellen innenpolitischen Probleme« beraten wollten.
Der Widerstand! , durchfuhr es Ludmilla. Sie wollen sich beraten, wie man den Aufständischen beikommen kann! Mutig, diese Diskussion gerade hier zu führen, wo doch erst gestern der Bombenanschlag auf die Genetik-Praxis am Francis-Crick-Boulevard stattgefunden hat!
Um die Aktion nicht zu gefährden, hieß es in dem Memo weiter, unterlägen diese Informationen strengster Geheimhaltung! Die Presse werde im Nachhinein über die Ergebnisse der Konferenz informiert und man sei zuversichtlich, dass die Resultate im Sinne aller Genetics sein werden.
»Pah!« Ludmilla war der verächtliche Laut einfach so entfahren. Blutige Niederschlagung einer immer stärker werdenden Bewegung innerhalb der Bevölkerung, von der mindestens schon ein Drittel auf der Seite der Aufständischen liegt! Das ist es doch, was ihr da entscheiden werdet!
Die Wut der Sekretärin wuchs. Sie fühlte sich hilf- und machtlos gegenüber der starken Hand der Regierung des Lordmanagers. Und sie fürchtete sich – vor einem Bürgerkrieg und davor, dass ihre Freunde und Bekannten Schaden nehmen könnten, wenn es zu öffentlichen Ausschreitungen kommen würde. Was zweifellos geschehen würde, sollte der Lordmanager die Entscheidung fällen, Feuer mit Feuer zu bekämpfen.
Ludmilla Meyer wusste, was sie zu tun hatte. Schnell schnappte sie sich ein leeres Speichermodul für die Handhelds und überspielte die Datei. Dabei achtete sie darauf, dass der Vorgang später nicht nachvollzogen werden konnte. Darin hatte sie von vorherigen ähnlichen Aktionen schon Erfahrung. Es würde niemandem auffallen, dass der Text kopiert worden war.
Sie stopfte sich den Datenspeicher in die Handtasche. Ein Blick auf die Uhr: 17:21.
Das schaffe ich noch! , dachte die Sekretärin im Hinblick auf den Halb-Sechs-Gleiter, fuhr den Computer herunter und verließ das Büro.
Um 17:30 Uhr betrat Ludmilla den gut gefüllten Antigrav-Bus. Wie zufällig stellte sie sich neben einen gelangweilt dreinblickenden Mann, dessen feiner Anzug ihm den Anschein eines Geschäftsmannes auf dem Weg zu einem Kunden gab.
Ludmilla Meyer wusste es besser. Sie griff unauffällig in ihre Handtasche und zog ein Taschentuch heraus. Sie schnäuzte sich und wollte die Packung gerade wieder wegstecken, als der Mann neben ihr sich an sie wandte und ebenfalls um ein Taschentuch bat.
Die Sekretärin grinste. Sie kannte das Spiel. »Gerne!«, sagte sie und reichte dem Mann die Packung. Dieser nahm sie – und den darunter verborgenen Datenspeicher mit der wichtigen Meldung, die Ludmilla kopiert hatte.
»Vielen Dank!«, sagte ihr Bekannter und reichte ihr die übrigen Taschentücher zurück. Auch er grinste, ein kleiner Flirt zwischen Unbekannten, so hatte es den Anschein.
An der nächsten Haltestelle stieg er aus. Vor ihm erhoben sich die Mauern einer Moschee der evangelikal-islamischen Gemeinde.
*
Kapitel 4 – Einen Tag zuvor
Lordmanager Wynton R. Canetti meldete sich ein letztes Mal bei Vijay Gustafsson, bevor Diaz’ Übergabe auf Darelis II bevorstand.
Das Ratsmitglied für äußere Angelegenheiten hatte aus diesem Anlass auch noch einmal Jefica Moll und Wanda Ndogo in sein Büro gebeten. Schließlich hatten sie und das ganze Corps Diplomatique maßgeblich daran mitgearbeitet, die von den Genetics herausgegebenen Daten auf ihre Echtheit zu prüfen. Da war es nur recht und billig, dass auch sie an der Abschlussbesprechung mit dem mächtigsten Mann der Drei Systeme teilnahmen.
Canetti gab sich leger, hatte einen beigefarbenen Freizeitanzug an und nippte an etwas,
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