Sternenfaust - 093 - Auge des Feindes
Andererseits fürchteten die Triumvirn inzwischen sehr zu Recht um ihre Stellung und der eine oder andere vielleicht sogar um sein Leben, weshalb man jetzt stumm beschloss, über den Affront hinwegzusehen.
»Nun gut«, stimmte Rendoy schließlich zu. »Tun Sie, was Sie diesbezüglich für erforderlich halten. Und wenn Sie schon mal dabei sind, überprüfen Sie auch noch einmal das Haus Naris, und zwar besonders gründlich. Ich bin die ewige Kritik von Karsan Sakala leid.«
Tainor neigte zustimmend den Kopf. »Das ist bereits geschehen, mein Triumvir. Das Hohe Haus Naris habe ich als Erstes überprüft. Zwar steht dessen Patriarch Karsan Sakala Eurer Politik tatsächlich äußerst kritisch gegenüber, aber er würde sich niemals herablassen, an einer Verschwörung teilzunehmen. Dazu haben er und alle Zweige seines Hauses zu viel zu verlieren. Außerdem ist er ein kluger Taktiker. Würde er sich mit Konspiration gegen Euch Erhabene abgeben, so würde er Euch nach außen hin loyaler unterstützen als jedes andere Haus. Wie ich schon in meinem diesbezüglichen Bericht ausgeführt habe, der den ehrenwerten Triumvirn vorliegt, zielt seine Kritik nur darauf ab, sich selbst und seinem Haus Vorteile zu verschaffen.« Verächtlich fügte er hinzu: »Irrigerweise geht er davon aus, dass offene Kritik ihm dazu verhelfen könnte.«
Rendoy machte eine wegwerfende Handbewegung, die in der Geringschätzigkeit und Herablassung, die sie ausdrückte, kaum zu überbieten war. »Ja, ich kenne den Bericht. Ich begehe allerdings nicht den Fehler, Karsan Sakala für harmlos zu halten. Ich erwarte, dass Sie ein besonderes Augenmerk auf ihn und sein Haus behalten.«
»Natürlich, mein Triumvir.«
»Und nun gehen Sie an Ihre Arbeit, Tainor. Und sollten Sie bei Ihrem nächsten Rapport nicht endlich Ergebnisse liefern, werden wir uns überlegen müssen, Ihren Posten neu zu besetzen.«
Ebras Tainor entfernte sich rückwärtsgehend und mit gesenktem Kopf aus dem Raum, wie es die Sitte verlangte. Draußen atmete er erleichtert auf. Für die schlechten Nachrichten, die er dem Triumvirat überbracht hatte, war er erstaunlich glimpflich davongekommen. Allerdings machte er sich keine Illusionen darüber, dass Rendoy seine Drohung hinsichtlich Tainors Entbindung von seinen Pflichten als Geheimdienstchef wahr machen würde, wenn es ihm nicht schnellstmöglich gelang, der Verschwörung auf die Spur zu kommen. Zwar gab es momentan im Temuran niemanden, der qualifizierter war als er, doch solche Dinge interessierten die Triumvirn nicht im Geringsten, wenn man ihnen nicht die erwarteten Ergebnisse lieferte.
Die Angelegenheit war aber auch eine überaus verzwickte Sache, und Ebras Tainor konnte sich des Gefühls nicht erwehren – das immer mehr zur Gewissheit wurde –, dass die Konspiration, die sich im Untergrund zusammenbraute, bereits bedrohliche Ausmaße angenommen hatte. Angesichts dieser Verschwörung, so glaubte er, erschienen nahezu alle Komplotte, das Triumvirat von Ebeem zu stürzen, nahezu harmlos. Immerhin hatte der Temuran vergangene Putschversuche jedes Mal schon im Keim ersticken können und recht schnell einige Verschwörer gefasst, die dann mit entsprechender »Bearbeitung« ihre Komplizen verraten hatten.
Hier lag die Sache völlig anders. Die Verschwörer mussten unglaublich gut organisiert sein und Ressourcen haben, die all ihren Vorgängern nicht zur Verfügung gestanden hatten. Das wiederum legte tatsächlich den Verdacht nahe, dass sie von einflussreicher Seite aus unterstützt und vielleicht sogar versteckt wurden. Und die einzigen J’ebeem, die dazu die entsprechenden Möglichkeiten besaßen, waren die Mitglieder einiger weniger Hoher Häuser, allen voran die des Triumvirats.
Es machte Ebras Tainor mehr als nur nervös, dass die Verschwörer den gesamten Geheimdienst bis jetzt immer wieder hatten austricksen und an der Nase herumführen können. Eines war klar: Sollte es ihm nicht gelingen, innerhalb kürzester Zeit die vom Triumvirat geforderten Erfolge vorzuweisen, so war er als Temuran-Chef Geschichte. Vielleicht sollte er den drei Regierenden willkürlich ein paar Verdächtige liefern, auch wenn sie mit der ganzen Sache nichts zu tun hatten, nur um irgendetwas vorweisen zu können. Eine paar tote Verdächtige natürlich, damit sie Tainors Behauptungen nicht mehr widerlegen konnten.
Er seufzte tief und rief sich zur Ordnung. Er war Chef des Temuran und legte großen Wert auf seine Integrität. Und ein solcher Betrug
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