Sternenfaust - 112 - Anschlag auf Vesta
beigefarbene Polsterung.
»Vincent«, erklang eine Stimme, von der Taglieri überzeugt war, dass sie einen ironischen Unterton hatte. »Sie wollten mich noch vor der Fortsetzung unserer Besprechung heute Nachmittag sprechen? Aber nehmen Sie doch bitte Platz.«
Taglieri ließ sich nicht anmerken, dass die Ironie ihn ärgerte. »Das ist korrekt. Ich wollte mit Ihnen über den Verlauf der Sitzung heute früh sprechen«, erwiderte er und sah den Ratsvorsitzenden dabei offen an. »Erlauben Sie mir ein offenes Wort: Ich bin mir bewusst, dass es zwischen uns Differenzen gibt, Ratsvorsitzender, Differenzen, die wir sicher nicht in die Diskussion um die neuen Crews der STARFIGHTER und der STARLIGHT einfließen lassen sollten.«
Mitchell antwortete nicht sofort. Er musterte sein Gegenüber. »Ist das eine Entschuldigung?«, meinte er schließlich lauernd.
In Vincents dunklen Augen blitzte es auf. Heiße Wut schoss in ihm auf, die er aber sofort wieder unterdrückte. Er war nicht hier, um sich zu streiten.
»Nun, es steht fest, dass hier zwei Schiffe neu besetzt werden müssen«, erwiderte er kühl. »Schiffe, die schwierige Situationen zu meistern haben werden. Wir haben unterschiedliche Auffassungen davon, wer dafür geeignet ist oder nicht, aber das muss nicht von Nachteil sein. Ich schlage vor, dass wir heute Nachmittag, wenn es weitergeht, aus unseren unterschiedlichen Ansichten einen Nutzen ziehen – und anderen keine Gelegenheit geben, sich über uns lustig zu machen.«
»Hören Sie zu, Taglieri«, meinte Mitchell nach einer kurzen Pause kurz angebunden. »Ich mag Sie nicht, ich halte Sie für übergenau, um nicht zu sagen kleinlich, und nicht sehr innovativ, und so suchen Sie meines Erachtens auch die Leute aus. Offiziere wie Commodore Hagen Brenner zum Beispiel. So etwas kann man nicht brauchen an Bord zweier so neuer Schiffe, die hauptsächlich im Perseusarm der Milchstraße unterwegs sein werden.«
Taglieri schluckte. War er wirklich so, wie Mitchell meinte? Er erinnerte sich an verschiedene Situationen an Bord der Schiffe, die er befehligt hatte – zuletzt hatte der Stab der STERNENFAUST das wohl bei Rudra VII gedacht, als er befohlen hatte, nicht nur die gestrandeten Piloten zu retten, sondern auch den Jäger, in dem sie abgestürzt waren. Doch dann dachte er an die Auszeichnungen und die geretteten Leben, die er genau dieser Überkorrektheit, die dieser selbstgefällige Schnösel ihm vorwarf, zu verdanken hatte und spürte auf einmal seine Wut verschwinden und seine Selbstsicherheit zurückkehren.
»Es ist richtig, dass wir an Bord der STARFIGHTER und der STARLIGHT Leute mit Fantasie wie beispielsweise Commander al Khaled oder Captain Frost brauchen«, sagte er ruhig. »Leute, die sich auch das Unwahrscheinliche vorstellen und dabei über ihre Schreibtischkante hinaussehen können. Ich denke, ich muss Ihnen dafür danken, dass Sie die beiden neben mich an Bord der STERNENFAUST gesetzt haben. Das tue ich hiermit. Aber solche Leute – auch Leute wie Sie, Mitchell – brauchen Gegenpole. Bitte bedenken Sie dies.«
Mitchell lehnte sich zurück. »Sie haben recht, es war mein Wunsch, dass Captain Frost und Commander al Khaled auf die STERNENFAUST versetzt wurden. Ich hatte von Ihrer Berufung zum zukünftigen Kommandanten dieser Schiffsflotte durch die Admiralität gehört und war damit nicht einverstanden. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre Captain Frost die Kommandantin geworden und nicht Sie.«
Taglieri lachte leise. »Sie wäre auch eine hervorragende Wahl gewesen«, sagte er. »Aber sie neigt zu Entscheidungen aus dem Bauch heraus.«
Mitchell beugte sich vor und legte die Fingerspitzen aneinander. »Vincent, glauben Sie mir, ich weiß Ihre Fähigkeiten durchaus zu schätzen. Als Stratege sind Sie hervorragend, aber als Taktiker fehlt Ihnen, nun ja, die Spontaneität.«
Langsam reichte es Vincent. Er wusste genau, worauf Mitchell sich bezog, auf ihren letzten gemeinsamen Einsatz bei Trident. Wieder und wieder hatte Taglieri danach die Situation damals analysiert. Heute wusste er, dass Mitchell zwar die ENDEAVOUR dank seiner Waghalsigkeit gerettet hatte, aber hätten Brenner und er Mitchell nicht gezwungen, das Schiff aus den äußeren Atmosphäreschichten des Gasriesen zu lenken, dann wäre es nicht zu retten gewesen. Es war letztendlich das Zusammenspiel dieser gegensätzlichen Meinungen gewesen, das die ENDEAVOUR gerettet hatte, denn keiner von ihnen hatte in diesem Moment wissen können, dass
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