Sternenfaust - 122 - Das Wrack
war. Die OCHRASY hatte ein neues Zuhause für ihre Besatzung gesucht, eine friedlichere zweite Erde, fernab von allem, was das Leben auf der ersten beeinträchtigte. Doch Brooks kannte derartige Gedanken. Er wusste, dass hinter ihnen meist mehr Idealismus als Praktikabilität stand, von Logik und Durchsetzungskraft ganz zu schweigen.
Robert Puissance hatte sich, nachdem er mit seinem Sermon durch war, wieder hinter den Vorhang verzogen. Entweder befand sich dort eine Geheimtür, oder er stand jetzt noch da und tat … Ja, was? Darauf lief es hinaus: Was machte, was wollte der Mann im Leinenanzug eigentlich?
Was kann er noch tun? , fragte sich Brooks. Sein Schiff ist sichtlich manövrierunfähig, seine Reisegefährten seltsam irrsinnig geworden … Und auch er selbst erscheint mir nicht gerade wie einer, der noch alle Tassen im Schrank hat.
Da war ein Glitzern in seinen Augen gewesen. Max bekam es nicht aus dem Sinn. Er kannte dieses Glitzern, kannte es von Menschen, die längst jenseits von Gut und Böse waren. In deren Verstand seit langer Zeit ein »Bin gleich zurück«-Schild hängt. Und noch lange hängen wird. Vermutlich bis zu ihrem Tod.
Max musste hier raus, und zwar schnell. Er hatte keine Ahnung, was die OCHRASY getan hatte, um sich in diese Lage zu manövrieren, und er wollte es auch nicht mehr wissen. Er wollte zurück, zurück zur STERNENFAUST, zu Captain Frost und zu seinen Träumen von Joelle. Doch dafür brauchte er einen Weg, sein Schiff zu kontaktieren, seinen Aufenthaltsort genauer zu bestimmen.
»Entschuldigung«, sagte er laut und sah zu den anderen Männern auf, die in einigen Metern Abstand zueinander den Gang hinunter schlurften wie Zombies. »Ich wüsste gerne, wo sich die Shuttles befinden. Kann mir da jemand eine Auskunft geben?«
Die Männer gingen weiter als hätten sie ihn nicht gehört. Erst als er die Frage ein zweites Mal stellte, geschah etwas. Wenngleich etwas, mit dem Max nicht gerechnet hatte.
Der Blonde mit der Hakennase blieb stehen und drehte sich ruckartig um. Sein Gesicht war wutverzerrt. Mit wenigen Schritten war er bei dem Offizier von der STERNENFAUST, packte ihn am Kragen seines zerrissenen T-Shirts und zog ihn zu sich. »Ach ja?«, zischte der Blonde. Weiße Spuckebläschen erschienen auf seinen Lippen. »Und was dann, he? Was willst du da? Mit meinen Plänen abhauen? Sie auf dem freien Markt verkaufen, vielleicht an Far Horizont .«
Seine linke Hand schoss vor. Eine geballte Faust bohrte sich bedrohlich in Max’ linke Wange. »Das kannst du vergessen!«
»Ich …« Brooks schluckte. »Ich wollte mich nur orientieren. Es muss doch Beiboote geben …«
Ein leises Lächeln spielte um die Mundwinkel des Blonden. »Klar gibt’s die. Sieben an der Zahl. Aber an deiner Stelle würde ich mir den Weg sparen.«
»Ich verstehe nicht …?«, keuchte Max, als sich der Griff um seinen Hals verstärkte.
»Sind kaputt.« Einer der beiden Strohhutträger war zu ihnen getreten und schaltete sich in die Unterhaltung ein. Er lächelte selig. Schweiß glänzte auf seinen nackten Schultern. »Einem höchst denkwürdigen Unfall zum Opfer gefallen, den wir uns bis heute nicht erklären können. Nein, nein.«
»Genau«, knurrte der Blonde. »Höchst denkwürdiger Unfall. Und wer danach fragt, hat vielleicht auch bald einen höchst denkwürdigen Unfall, nicht wahr, Svensson, du alte Gletscherlandschaft?«
Svensson lächelte einfach weiter, ganz offensichtlich entzückt und hocherfreut darüber, eine korrekte Auskunft gegeben zu haben. Max besah sich die Narben auf dem blanken Körper des Mannes und fragte sich, wie sie entstanden sein mochten. Eine innere Stimme riet ihm, diese Frage für sich zu behalten, und der Blick, den der Blonde ihn aus seinen vor Wut leuchtenden blauen Augen zuwarf, bestätigte ihn darin.
»Alles klar«, flüsterte Max.
Der Blonde ließ ihn los, trat ein paar Schritte zurück und grinste. »Alles klar«, wiederholte er und nickte gefällig.
Dann aber sprintete er erneut vor, die Arme zum Angriff erhoben und das Gesicht zu einer Fratze des Zorns verzogen! Wenige Zentimeter vor Max blieb er stehen. »Alles klar«, wiederholte er, lächelte wissend und wandte sich um. Diesmal endgültig.
Max stand reglos da und spürte, wie sein Herz Purzelbäume schlug, hörte das Rauschen seines Blutes in den Ohren. Er zitterte. Erstaunlich, wie viele Antworten man mit einer einzigen Frage provozieren kann. Zwar passen sie nicht unbedingt zu dem, was ich eigentlich
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