Sternenfaust - 122 - Das Wrack
Außenhülle: Wir treiben im Ring eines toten Planeten, antriebslos und mit nur dem Nötigsten an Energie ausgestattet, um den Betrieb der lebenserhaltenden Systeme zu gewährleisten. Sie kommen nicht vom Fleck! Und das allem Anschein nach schon eine ganze Weile nicht mehr.«
Puissance hob die Augenbrauen. »Na, da hat aber einer seine Hausaufgaben gemacht. Lass mich raten: Du hast dich in ein Terminal eingehackt und dir ein paar Informationen aus dem Zentralrechner besorgt? Wenn das so ist, ist es gut für dich. Dann hast du nämlich Ahnung von Technik. Und ich mag Menschen, die von etwas Ahnung haben.«
Es lag etwas in diesen Worten, das Max nicht gefiel, aber er konnte es nicht bestimmen. »Sehen Sie das nicht?« Er hob die Arme, ratlos. »Diese Welt, nach der Sie suchen … Sie werden sie nie erreichen. Nicht so, nicht hier.«
Ein Seufzer, tief und traurig. Der Franzose senkte den Kopf, blickte zu Boden. »Tatsächlich«, murmelte er. »Du glaubst wirklich nur, was du siehst.«
Für die Spanne von etwa einer halben Minute schwiegen sie beide.
»Nun gut«, sagte Puissance schließlich und zuckte abermals mit den Achseln. »Dann vermute ich, du bist hergekommen, um dich nach einem anderen Fortbewegungsmittel umzuschauen? Einem Weg nach draußen und dorthin zurück, von wo du gekommen bist?«
Max nickte provokant und bemühte sich, nicht auf sein wild schlagendes Herz zu achten. »Der Blonde sprach von sieben Shuttles.«
Mit einer Geste der Hand bedeutete Puissance ihm, seine Bemühungen fortzusetzen. » D’accord, d’accord. Der Lichtschalter befindet sich in der oberen rechten Ecke. Sieh, damit du glauben kannst. Aber ich habe dich gewarnt, klar? An deiner Stelle würde ich das lassen. Man muss nicht alles selbst erfahren, nur um davon überzeugt zu sein. Manchmal ist es besser, sich einfach auf etwas zu verlassen. Besser – und gesünder.«
Der junge Mann aus dem ehemaligen Kamerun ignorierte die eigenartige Drohung, die in diesen Sätzen mitschwang. Er drehte sich zur Konsole zurück, hinter der noch immer das undurchdringliche Dunkel jenseits der dicken Fensterscheiben darauf wartete, von ihm erhellt zu werden. Er drückte die Taste rechts oben.
An den Seitenwänden des Frachtraumes erwachten große Leuchtröhren zum Leben. Sie blieben das Einzige, das jenseits der Fenster noch lebte.
*
Eigentlich war der Anblick unzweideutig. Nichts, was einem rational betrachtet Probleme bereiten musste. Jeder Winkel des Raumes war hell ausgeleuchtet, kein Detail seines Inneren blieb dem Betrachter verborgen. Eigentlich sah man, was man sehen wollte.
Eigentlich.
Im ersten Moment weigerte sich Max’ Verstand, das Offensichtliche zu akzeptieren. Wieder und wieder glitt sein Blick stattdessen zum Boden und über die sieben kleinen Shuttles, die in speziellen Haltevorrichtungen am Boden des Frachtraumes ankerten. Er sah ihre Wunden, die offenen Stellen in ihrer Außenverkleidung, wo sich unbekannte Vandalen an ihnen zu schaffen gemacht und sie geradezu ausgeschlachtet hatten. Diese Gefährte waren absolut unbrauchbar. Nur ein weiterer Haufen Weltraumschrott, unnütz wie alles andere, was sich an Bord der OCHRASY befand. Ein Technikwunderheiler wie Jenny Black Fox mochte aus den Einzelteilen der sieben Wracks vielleicht noch ein halbwegs manövrierbares Shuttle zusammenbasteln, doch trotz seiner »Schrauber«-Qualitäten wusste Brooks instinktiv, dass er sich nicht mit derartigen Meistern dieses Fachs messen konnte. Insbesondere nicht in diesem Fall.
Und überhaupt, nun ja, bot der Raum jenseits der dicken Kunststoffscheiben noch genug Material für andere Überlegungen. Weit weniger angenehme.
Mit einem lauten Knall schlug die erste der Leichen gegen die Scheibe.
*
Es war das absurdeste und dennoch grauenvollste Bild, das er je hatte sehen müssen. Überall im Raum trieben Tote. Leblose Körper, schwerelos durch die Luft taumelnd. Gefangen in einem ewigen Tanz.
Max sah blonde Haare, kurze Kleider, weiße Unterschenkel. Körper, sich langsam um die eigene Achse drehend, wieder und wieder. Es waren Frauen. Großer Gott, es waren alles Frauen!
Er wollte schreien, doch über seine Lippen drang nur ein klagender Laut, der schnell an Lautstärke verlor. Dann verstummte er völlig, gefangen in der Schockstarre, die auf diese unwirklich scheinende und doch so furchtbar reale Entdeckung gefolgt war. Ein luftleerer Raum an Bord, gefüllt mit dem Vakuum des Alls – und mit Toten.
Als Puissance ihm
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