Sternenfaust - 123 - Zwischen den Sonnen
sein? Ihr Alter war schwer zu bestimmen, doch zweifellos war sie eine junge Frau. Es fiel Savanna schwer, sie sich vor fünfzehn Jahren in einer leidenschaftlich-erotischen Liebesbeziehung vorzustellen, auch wenn das Alter bei J’ebeem überhaupt schwer zu bestimmen war. »Du hast völlig allein auf dieser Station gelebt, als es hier kaum Menschen und noch mehr Aliens gab?«, fragte sie skeptisch.
»Sie haben mich akzeptiert. Ich war ein Exot für sie, und in dieser Rolle fühlte ich mich wohl. Ich war nützlich für sie, deshalb schickten sie mich nicht weg. Es gab eine Menge Arbeiten, die ich für die Aliens hier erledigen konnte. Hin und wieder ging ich sogar auf eine Außenmission, aber ich war stets froh, wenn ich zurückkehrte. Als dann auf der Station mehr und mehr menschliche Routine einkehrte, überlegte ich zu verschwinden … aber ich blieb. Irgendwie war ich inzwischen hier zu Hause.« Sie trank etwas von dem heißen Gebräu, das ihnen während ihrer Erzählung serviert worden war. Es schmeckte bitter und doch süßlich, ähnlich wie schwerer, dunkler Kakao, aber es hatte dennoch eine Kräuternote, die Savanna nicht identifizieren oder genauer hätte beschreiben können. »Inzwischen habe ich mich an den Anblick anderer J’ebeem wieder gewöhnt. Oder an den von Menschen.«
»Du wirst von deiner Seite aus mein Angebot also annehmen?«
»Von meiner Seite aus?«
Savanna lächelte. »Selbstverständlich werde ich dich testen, ehe ich dir einen so verantwortungsvollen Posten übertrage. Ich muss wissen, ob du der Aufgabe gewachsen bist. Schauen wir uns doch gemeinsam die MERCHANT an. Morgen früh?«
»Warum nicht jetzt?«
»Morgen früh«, beharrte die erste Offizierin. Es konnte nicht schaden, sich auch ein wenig geheimnisvoll zu geben. Sollte Sonda sich doch den Kopf darüber zerbrechen – Savanna hatte ihre Gründe, die allerdings sehr profaner Natur waren. Sie würde zuerst noch einige Erkundigungen einziehen. Wozu hatte man schließlich Verbindungen, wenn man sie nicht nutzte? Bevor sie sich mit einer so offenbar zwielichtigen Person einließ – da mochte sie noch so sympathisch sein –, wollte sie erst einmal wissen, was andere über Sonda Katar dachten. Und ob sich das mit ihrer Ansicht deckte.
Sie hob erstmals den breiten Krug, in dem die braune Flüssigkeit vor sich hin dampfte. Optisch hatte dieser Drink in etwa den Reiz von frischem Kloakenwasser.
Naja, passt ja zur Luftsituation auf der MERCHANT , dachte Savanna sarkastisch und nahm einen Schluck.
*
»Du hast kein Geld?«
Die Frage des dürren Menschen mit den ausgemergelten Spinnenfingern klang wie eine Mischung aus Amüsement, Ungläubigkeit und einer unverhohlenen Todesdrohung.
»Kein Geld?«, wiederholte er. »Und spazierst trotzdem hier herein und besitzt die Unverfrorenheit, mitspielen zu wollen?« Er straffte seine Haltung im Stuhl, musste offenbar bislang geradezu darin gelegen haben – jedenfalls befand sich sein Kopf nun nicht mehr dicht über der Tischplatte, sondern fast einen halben Meter höher. Er strich sich über seine höckerige Nase, die aussah, als sei sie bereits mehrfach gebrochen worden.
Kleine Augen sezierten Harry, der es gelassen nahm. »So ist es«, sagte der Eigentümer der MERCHANT.
Der Dürre und seine drei Mitspieler brachen in kicherndes Gelächter aus. Der fette J’ebeem, der nur aus Fleischmassen zu bestehen schien, hob sein Dreifachkinn. Die wabbelnde Haut war rötlich; er war der dickste J’ebeem, den Harry je zu Gesicht bekommen hatte. »Ohne Einsatz kein Spiel.« Die Worte klangen dumpf zwischen den wulstigen Lippen hervor.
Die beiden anderen Spieler schwiegen. Einer drehte einen Satz Karten – 32, schätzte Harry – zwischen den Fingern.
Er sieht mich an, als würde er mir jeden Augenblick das Genick brechen wollen , dachte Harry. Ar’ellana hatte offenbar nicht übertrieben. Dennoch blieb er ruhig, vor allem nach außen hin. Innerlich überlegte er bereits, wie er im Falle einer Konfrontation die Energiewand wohl am schnellsten und effektivsten kurzschließen konnte, um sich zu verdünnisieren. »Dass ich etwas bieten muss, ist mir natürlich klar«, begann er eine sorgsam zurechtgelegte Strategie. »Ich dachte daran, dass wir eine erste Runde …«
Er kam nicht dazu auszusprechen.
»Sein Einsatz für die erste Runde bin ich«, unterbrach Ar’ellana. »Ich denke nicht, dass irgendjemand von euch etwas dagegen hat. Genauer gesagt, ein Termin bei mir. Eine Stunde.«
Das
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