Sternenfaust - 124 - Das Geheimnis der Schriften (1 of 2)
Diplomatin zu bedanken.
Schüssler schien all diese Regeln des klugen Taktierens, des beizeiten mutigen Vorangehens und des Dem-Verhandlungspartner-Schmeichelns nicht zu beherrschen. Doch im nächsten Moment verbesserte sich Gondel Harath. Dieser J’erde wusste genau, was ein j’ebeemscher Adliger, ein Triumvir zumal, wollte und wie man es am besten von ihm bekam. Doch er schien einfach nicht gewillt, diese Regeln zu befolgen – die ja wohl nichts weiter als einfache Höflichkeits- und Benimmregeln waren, die zu beachten ein Zeichen, ja, das Zeichen überhaupt von zivilisiertem Umgang miteinander war.
Zumal er und Roka Mandar sich mit Wanda Ndogo, dem Ratsvorsitzenden und Jo Schüssler hier in diesem Gleiter befanden, um einerseits ruhig über die Folgen des Informationsaustauschs zu sprechen, den der Triumvir initiiert hatte und andererseits etwas von der Hauptstadt der Solaren Welten zu sehen.
Gerade flog der Gleiter über die Gedenkstätte, die zu Ehren des ersten NUNO-Präsidenten Ito Todoshi errichtet worden war und die sich ganz in der Nähe des alten Gebäudes der United Nations befand. Gondel Haraths Selbstbeherrschung ging weit genug, um Interesse vorzugeben und auf die Ausführungen Wanda Ndogos zu hören. Dennoch war er mit seinen Gedanken weder bei ihren Erläuterungen, noch bei den Bemerkungen Schüsslers, der jede Gelegenheit nutzte, um auf seinen Wunsch nach mehr Handelsbeziehungen zurückzukommen.
Harath erwiderte die letzte Frage höflich, aber unbestimmt und sah auf den East River hinaus, der in der Sonne glitzerte.
Die Menschen wissen wirklich nicht, wie gefährlich das Spiel in Transalpha ist, auf das sie sich eingelassen haben. Ich hatte gehofft, dass sich meine Annäherungen und mein Angebot, ihnen mit Informationen zu dienen, ihnen klarmachen würde, wie riskant das alles wirklich ist – und dass sie sich beim Oberen Triumvirat um einen Friedensvertrag bemühen müssen.
Ich kann ihnen das doch nicht direkt sagen. Davon abgesehen, dass es unglaublich unsubtil wäre und damit unglaublich unhöflich, werden sie nicht auf mich hören. J’obaram Talas meinte immer, dass er keinen Menschen kenne, der sich etwas befehlen lasse. ›Sag einem Menschen, er soll springen, und er bleibt stehen. Sag ihm, er soll stehen, so wird er laufen. Und sagst du ihm, er soll laufen, dann springt er.‹ Diese Gedanken waren ihm in den letzten Tagen häufiger durch den Kopf gegangen. Er wusste, er würde das Gefühl haben, als J’ebeem mit Erziehung und Bildung versagt zu haben, wenn er das Ziel, Wanda Ndogo und Jasper Mitchell zu einem Kooperationsvertrag anzustiften, nicht erreichte.
Der Haken an der Sache war, dass die Verhandlungen über einen Kooperationsvertrag erfolgreich stattfinden mussten – es aber nicht so aussehen durfte, als wäre diese Idee von ihm gekommen. Harath sah hinüber zu Jasper Mitchell, der ihn schon seit Beginn des Fluges über New York aufmerksam betrachtete.
Das Oberhaupt der Solaren Welten ist nicht dumm. Und er hat in Wanda Ndogo eine sehr fähige Beraterin. Wenn es einen J’erde gibt, der verstehen kann, worum es letztendlich geht und worauf es ankommt, dann ist das Mitchell. Und Wanda Ndogo.
Denn wenn das Obere Triumvirat und dabei besonders Landis Curane merken, dass ich den J’erde die Idee eines solchen Kooperationsvertrages eingegeben habe, dann ist alles verloren. Ich werde – wenn ich Glück habe! – auf Lebenszeit in mein Lehen ans andere Ende des bekannten Raums geschickt, und die J’ebeem werden allein gegen die Basiru-Aluun und die Erdanaar dastehen. Nur mit der fortgeschrittenen Technik der Menschen haben wir gegen diese Völker eine Chance. Die Starr und ihre Transmitter sind lange noch nicht so weit. Das Obere Triumvirat setzt auf sie, aber der Weg ist eine Sackgasse.
Aber das will in Ikendar keiner einsehen – und vielleicht werde ich für diese Meinung irgendwann hinterrücks ermordet. Das wäre jedenfalls wesentlich wahrscheinlicher, als dass Jasper Mitchell und Wanda Ndogo tun, was ich von ihnen will.
Auf einmal riss ihn die Stimme Jasper Mitchells aus seinen Gedanken.
»Triumvir, Mr. Schüssler, verzeihen Sie, wenn ich Ihr Gespräch über die J’Kanash-Heilpflanze und die Herstellung von künstlichem Marmor unterbreche, aber ich glaube, wir haben wirklich Wichtigeres zu besprechen.«
Harath nahm sich zusammen und konzentrierte sich auf das Oberhaupt der Solaren Welten. »Ich bitte Sie. Natürlich haben Sie recht«, erwiderte er.
Jo Schüssler
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