Sternenfaust - 129 - Der Gott im Exil (4 of 4)
wunderschöne Ningihu. Shanasa erinnerte sich noch an seine Geburt. Ein Knabe voller Reinheit. Gottesgläubig und rein. Wie schnell hatten ihn die Besucher verdorben. Er war ein junger Mann, ein leichtes Opfer für Versprechungen, für die Aussicht auf Abenteuer. Hätte sie ihn doch besser unterrichtet, hätte sie seinen Geist doch besser gewappnet, um den Versuchungen der Finsternis zu widerstehen.
Doch für ihn war es nun zu spät. So wie es für sie alle zu spät war. Sie hatte den unvermeidlichen Untergang bereits gesehen.
Vielleicht aber war das Ende gar nicht unvermeidlich? Vielleicht hatte der Himmelsbote ihr diese Bilder geschickt, um sie zu warnen?
Demütig schleppte sich Shanasa zu Häuptling Javarhi. Am Ende kroch sie auf ihren nackten Knien und warf sich schließlich vor ihm in den Staub.
Nach dem Tod von Ningihu war er nicht mehr ganz so selbstsicher. Dennoch, sie hatte seine Autorität unterlaufen. Er konnte das nicht dulden. Daher wartete er und ließ sie in der demütigen Pose liegen, bis er endlich sagte: »Sprich, Shanasa!«
»Lasst uns die Fremden vertreiben«, murmelte Shanasa mit tränenerstickter Stimme. »Vielleicht wird Gott dann mit uns gnädig sein.«
Die anderen versammelten sich um sie, und alle sahen erwartungsvoll zu Javarhi. Sie konnte es in ihren Augen sehen. Auch sie waren unsicher geworden.
Und nun begann auch Häuptling Javarhi nachzudenken.
Schließlich nickte er andächtig.
*
Admiral Taglieri stockte der Atem. Er war seit über 30 Jahren im Dienst des Star Corps, hatte unzählige Abenteuer erlebt und kommandierte inzwischen eines der stärksten Schiffe der Menschheit. Er hatte im zweiten Kridan-Krieg gekämpft und vielen Gefahren getrotzt, doch …
Das Wesen, das nun vor ihm stand, war eine eindrucksvolle Erscheinung. Es hatte eine blaue Haut und trug eine Art Rüstung in der gleichen Farbe. Vincent Taglieri konnte nicht erkennen, welche von den großen Extremitäten natürlich waren und welche zur Rüstung gehörten.
Doch vor allem fiel ihm eines auf: Dieser »Gott« hatte nur ein Auge!
Unwillkürlich musste Vincent an die Zyklopen der antiken Mythologien denken, und er erinnerte sich kurz daran, wie er als Kind die grausame Geschichte gelesen hatte, in der Odysseus Polyphems einzigen Augapfel mit einem glühenden Pfahl zum Schmelzen brachte. Taglieri hatte diese Vorstellung ganz fürchterlich gefunden, und schon als kleiner Junge hatte er sich geschworen, ein moderner Odysseus zu werden. Auch er wollte fremde Gefilde erforschen. Er aber würde das, was anders war, nicht bekämpfen oder vernichten.
Und nun war er in einer ähnlichen Situation. Er stand einem fremden Wesen gegenüber, und wie Odysseus befand er sich auf einer Reise, die er sich nicht ausgesucht hatte.
In dem riesigen Auge des Fremden schienen sich sieben Pupillen zu befinden. Dieses Wesen hatte also keineswegs nur ein Auge. Es hatte sieben Augen, und alle waren auf ihn gerichtet.
An zwei dünnen Schläuchen war etwas befestigt, das an leuchtende Sterne erinnerte. Diese Sterne hatten sieben Zacken.
Die Zahl sieben schien bei diesen Wesen eine besondere Bedeutung zu haben. Wie bei den Toten Göttern , ging es Taglieri durch den Kopf. Diese Sterne schienen die Gegend zu scannen, und offenbar steuerten sie einige der Geräte, die in die Wände integriert waren.
Ihr Narren , erklang es plötzlich. Die Stimme war tief und schallend, und sie dröhnte in Vincents Ohren, auch wenn er nicht sicher war, ob diese Stimme wirklich zu hören war, oder ob sie nur in seinem Kopf existierte.
Taglieri warf einen kurzen Blick auf Lieutenant Halova. Sie war ebenfalls zusammengezuckt. Fragend sah sie Taglieri an: »Haben Sie das auch gehört?«
Der Admiral nickte und zog seine buschigen Augenbrauen zusammen.
Ihr seid des Todes. Ihr werdet alle sterben.
Bei diesen Worten lief es Admiral Taglieri kalt über den Rücken. Und wieder musste er an die Geschichte mit Odysseus denken …
*
STERNENFAUST, irgendwo in Transalpha
»Lieutenant Sobritzky, bringen Sie uns in Schussposition. Lieutenant Commander Austen, Ziel erfassen. Und dann …«
Berger brach ab, senkte den Blick und schüttelte benommen den Kopf. Für einen kurzen Moment war ihr, als verschwimme die Brücke vor ihren Augen. Schwankend machte die Offizierin einen Ausfallschritt, hob den Arm und stützte sich am Geländer des Kommandobalkons ab.
Ganz ruhig. Da waren Stimmen in ihrem Kopf. Sie hielten sie fest, gaben ihr Halt. Vertrauten
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