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Sternenfaust - 140 - Chimären-Tanz

Sternenfaust - 140 - Chimären-Tanz

Titel: Sternenfaust - 140 - Chimären-Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymous
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die Puppe. Oder besser, die Worte drangen aus ihren Augen. »Mister Chang, sicher interessiert es Sie, was das alles sollte.«
    Das konnte man wohl sagen. Harry sah jedoch keinen Grund, dies offen auszusprechen. Er fragte sich nur, wie lange sein unverhoffter Gesprächspartner sie bereits belauscht hatte.
    »Nun«, meinte die Puppe, »Sie sollen alles erfahren. Deshalb melde ich mich bei Ihnen. Das Wichtigste jedoch gleich zuerst, um Sie nicht länger auf die Folter zu spannen. Sie befinden sich in meiner Gewalt und werden genau das tun, was ich von Ihnen verlange.«
    »Oder?«, fragte Harry. In solchen Fällen gab es stets ein Oder.
    Die Antwort klang erheitert. »Oder Sie sterben alle.«
     
    *
     
    Es regnete in Strömen. Um nicht zu sagen, dass es goss, als wollten die Fluten die gesamte Welt überspülen, bis auch der letzte Berg noch versunken war.
    Scott I. Caldwell ignorierte es. Wäre er fremd auf diesem Planeten gewesen, hätte er womöglich an eine Apokalypse geglaubt; er kannte derlei schwallartige Niederschläge allerdings zur Genüge.
    Aller Wahrscheinlichkeit nach würden sie bald enden. Die danach zu erwartende brütende Hitze würde schnell alles wieder trocknen.
    In seinem Ein-Personen-Gleiter zog Caldwell langsam über die Wipfel der Urwaldriesen dahin. Die Flora gedieh schon immer üppig auf Albirea-15 und hatte eine erstaunliche Artenvielfalt geschaffen.
    In der Tierwelt allerdings hatten sich nur die Stärksten durchgesetzt, und das in einem extremen Maß. Das bildete einen, wenn nicht den wichtigsten Grund dafür, dass sich Caldwell vor einigen Jahren ausgerechnet auf diesen Planeten zurückgezogen hatte.
    Seit er seine Versuche gestartet hatte, war die natürliche Entwicklung der Arten völlig durcheinandergeraten. Er hatte eine Evolution der Mischformen angestoßen, wie sie in der gesamten Galaxis ihresgleichen suchte.
    Die Sterberate bei den absonderlichen Chimären war zwar recht hoch, aber viele überlebten, und einige hatten sich sogar auf natürlichem Weg fortgepflanzt. Caldwells mutagene Forschungen waren revolutionär.
    Dass sie auch zu Bestien wie derjenigen führten, die er im See erlegt hatte, war auch in seinen Augen bedauerlich. Sie neigten dazu, die Herrschaft im Tierreich an sich zu reißen. So unglücklich diese Entwicklung auf der einen Seite war, so sehr begrüßte sie Caldwell andererseits, denn es war durchaus spannend, das konnte er nicht leugnen.
    Wer wusste schon, welche Erkenntnisse die Wissenschaft dadurch noch erlangen würde?
    Momentan stand Scott I. Caldwell jedoch nicht der Sinn danach, seine allgemeinen Forschungen und Beobachtungen fortzuführen. Ihn plagte ein Anliegen, das ihm merklich näher stand – sein verlorenes Auge.
    Dieses Manko störte sein Bestreben, sich immer weiter zu entwickeln und seinen Leib radikal zu perfektionieren. Aktuell war er nicht mehr als ein … Krüppel. Das konnte er keinesfalls hinnehmen. Nicht, solange auch nur noch ein Funken Leben und Ehrgefühl in ihm steckten.
    Er richtete den Blick nach vorne, durch die Sichtscheibe des Gleiters. Nicht weit vor ihm begann die ewige Fläche des Ozeans, die scheinbar völlig ruhig und glatt dalag. Das Licht der Sonnen tanzte darauf; ein Regenbogen spannte sich über viele Dutzend Kilometer, ja, er schien den Horizont vom einen Ende zum anderen zu verbinden.
    Eine Brücke aus Licht , dachte er und weil es abrupt aufhörte zu regnen, zog er den Gleiter tiefer.
    Er schaltete die Außenmikrofone ein. Die typischen Geräusche drangen zu ihm herauf, wie sie stets nach einem Regenguss zu hören waren: das Kreischen der jagenden Chimären, das Brechen von Ästen, die Todesschreie der durchnässten Opfertiere, die aus ihren diversen Unterschlupfen krochen.
    Der automatischen Steuerung gab Caldwell den Befehl, bewegungslos schwebend dicht über dem Gipfel des höchsten Baumes zu verharren.
    Vor ihm stieg Nebel auf wie Dampf über kochendem Wasser. Der Anblick erinnerte ihn einmal mehr an sein unfreiwilliges Abenteuer im See.
    Den Gedanken, dass ihm seine Experimente, seine Schöpfung , über den Kopf wachsen könnte, ließ er erst gar nicht zu. Schließlich war er alles andere als irgendein tumber Anfänger.
    Die Ereignisse der letzten Stunden waren das Symptom eines kleinen Rückschlags, nicht mehr. Oder genauer gesagt, sie bildeten einen gewaltigen Ansporn für ihn. Deshalb gab es nun wirklich keinen Grund zu klagen.
    Langsam drückte er die Sensortaste, die die Seitentür des Gleiters öffnete.

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