Sternenfaust - 140 - Chimären-Tanz
Lautlos schob sie sich zur Seite, nur eine Winzigkeit, nicht weit genug, als dass irgendetwas von außen eindringen könnte. Aber sehr wohl weit genug, dass Caldwell wittern konnte.
Als sei er selbst ein angreifendes Raubtier, schob er den Kopf nach vorne und weitete die Nasenflügel. Auch mit der Zungenspitze nahm er die Signale seiner Umgebung wahr. Witterung konnte er auch durch den schmalen Spalt aufnehmen.
Eine Bewegung im Augenwinkel lenkte ihn ab. Etwas hatte die sonst so stille Meeresoberfläche durchbrochen. Er schaute dorthin.
Gewaltige, gezackte Flossen ragten in die Luft, und ein riesiger, unförmig-schwarzer Körper verdunkelte das Wasser. Ein Raftikall, der größte Jäger der Meere, den dieser Planet zu bieten hatte.
Schon wollte sich Caldwell abwenden, als er stutzte. Drei Flossen? Er vergewisserte sich, dass er sich nicht getäuscht hatte.
Aus seinen geschürzten, leicht gepanzerten Lippen stieß Caldwell einen Pfiff aus. Seine Hände flogen über die Eingabekonsole des Gleiters. Mithilfe der Instrumente der Außenbeobachtung zoomte er den Raftikall näher heran, bis er ihn glasklar auf dem Bildschirm hatte.
Kein Zweifel! Es handelte sich tatsächlich um eines dieser haiartigen, als Henker der Meere verschrienen Raubtiere. Und doch war etwas anders.
Scott I. Caldwell legte ein Maßraster an, und seine spontane Vermutung bestätigte sich. Dieses Exemplar war größer, als es eigentlich sein durfte. Es maß mehr als achtzig Meter … größer als irgendein anderes Lebewesen auf Albirea-15. Außerdem besaß es unzweifelhaft eine Flosse zu viel.
Also war die chimärenhafte Veränderung bereits auf die Meerestiere übergesprungen. Und das ganz ohne sein Zutun. Die Entwicklung hatte eine starke Eigendynamik bekommen.
Höchst interessant!
Im nächsten Moment stieß Caldwell einen Schrei aus und zuckte zusammen, als das Meeresuntier auf ihn zuschnellte, sein gewaltiges Maul auf riss und aus der Tiefe der Kehle ein weiterer Kiefer hervorschnellte, groß genug, um mit einem Biss den Gleiter glatt zu zermalmen und seinen Insassen zu zerquetschen.
Schon zuckte Caldwells Hand automatisch zum Auslöser der Bordkanone – als ihm klar wurde, dass er einer optischen Täuschung zum Opfer gefallen war. Selbstverständlich galt dieser Angriff nicht ihm; der Gleiter war viel zu weit entfernt.
Auf dem Bildschirm, der das Monstrum herangezoomt hatte, war ein völlig falscher Eindruck entstanden, verstärkt durch die lebensechte, dreidimensionale und äußerst realistische Wiedergabe des Geschehens.
Caldwells Lippen umspielte ein Lächeln, als er sich in seinem Sitz zurücklehnte und entspannte. Er schaltete auf einen weiter gefassten Bildausschnitt, um zu sehen, was auf dem Meer vor sich ging.
Die Hai-Chimäre hatte ein großes Flugtier gepackt und glatt durchbissen. Die hintere Körperhälfte trieb in blutig rot verfärbtem Wasser; einzelne Federn stieben noch durch die Luft.
Kurz darauf verschlang der Raftikall den Rest seiner Beute.
Caldwell würde Sonden in diese Region des Meeres entsenden müssen, um zu erfahren, wie weit sich das Chimärentum bereits innerhalb der Wasserfauna ausgebreitet hatte.
Es war wirklich erstaunlich, eine ganze Welt als Labor zur Verfügung zu haben.
Unvermittelt roch er etwas und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der näheren Umgebung zu. Etwas brach durch das Unterholz des Dschungels, ganz in der Nähe.
Caldwell lächelte, als er das Tier erkannte. Oder besser gesagt, die Chimäre. Ein affenartiges Ding, an dessen Schädel zwei unterarmdicke Fühler pendelten. Rechts und links des Mauls klackerten zwei Chelizeren in ständiger Bewegung, wie bei einer Spinne.
Wunderbar!
Genau das richtige Versuchsobjekt, wenn es darum ging, Caldwells verlorenes Auge zu rekonstruieren.
Seelenruhig öffnete er ein Fach an der Steuerkonsole und holte eine Handfeuerwaffe heraus. Er stellte die Wirkung auf Betäubung, wählte dabei eine Intensität, die doppelt ausreichen sollte, die Chimäre außer Gefecht zu setzen.
Dann öffnete er die Seitentür vollständig.
Es dauerte keine zehn Sekunden, bis das Biest zum Angriff überging. Es hatte keine Chance. Caldwell feuerte.
Die Chimäre geriet aus der Sprungbahn, krachte halb gegen die Außenhülle des Gleiters und stürzte dann bewegungslos in die Tiefe. Sie schmetterte in das dicht stehende Gehölz, durchbrach einige Äste und bahnte sich durch die Wucht des Sturzes und das hohe Gewicht des Körpers einen Weg nach unten.
Dann prallte
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