Sternenfaust - 140 - Chimären-Tanz
Seht ihr das denn nicht? Seid ihr tatsächlich blind? Und ihr wollt eine Elite der modernen Genetik bilden?«
»Du täuschst dich«, sagt meine fette Besucherin. »Du hast bewiesen, dass eine solche Veränderung tatsächlich möglich ist. Darin stimmen wir überein. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie deswegen richtig und gut ist. Ganz im Gegenteil – ein einziger Blick genügt, um zu erkennen, dass mit deinen Forschungen etwas Widerwärtiges und Unnatürliches seinen Anfang genommen hat. Etwas Gefährliches.«
»So nennst du es.«
»So nennen wir alle es. Das Urteil ist gefällt, Scott I. Caldwell. Zuerst wollten wir dich in der Zelle in Einzelhaft festhalten, doch deine Anhängerschar taucht zu Dutzenden, Hunderten oder Tausenden auf. Sie wollen dich befreien und werden notfalls Gewalt anwenden. Außerdem, das kann ich nicht leugnen, gibt es keine gesetzliche Handhabe, dich dauerhaft festzuhalten.«
Statt einer Antwort grinse ich nur.
»Deshalb werden wir dich nicht in Haft nehmen. Wir schicken dich allerdings weit weg.«
»Asyl?«, frage ich.
»Verbannung«, präzisiert die andere. »Genauer gesagt wird dir der Planet Albirea-15 zugewiesen.«
Ich habe diesen Namen schon einmal gehört und versuche mich zu erinnern. »Er ist unbewohnt?«
»Einige Tiergattungen.«
Perfekt! Dieses Wort verkneife ich mir.
Ich warte ein wenig, dann stelle ich nur eine Frage: »Was, wenn meine Begleiter mit mir gehen wollen?«
»Wir werden sie nicht daran hindern.« Sie klingt, als sei sie froh, wenn sich das Problem auf diese Weise elegant erledigen ließe.
Ich denke an Kirliano und die anderen und lächele zufrieden. »Wir werden aufbrechen. Wie viel Zeit bleibt mir?«
»Vier Stunden, unter ständiger Überwachung. – Ich freue mich, dass du kooperieren willst. Verhalte dich friedlich, dann werden wir dich nach Kräften bei deinem Aufbruch unterstützen.«
Ich nicke und freue mich insgeheim auf das Leben auf Albirea-15: eine riesengroße Spielwiese, ein einziges Labor. Die neue, dritte Generation meines Virus werde ich in den natürlichen Kreislauf einschleusen und beobachten, was geschieht.
Versuche über Versuche warten auf mich.
*
»Albirea-15.« James Tiberius Toler verschränkte die Hände im Nacken, lehnte sich in seinem Platz zurück und wirkte zufrieden. »Mein berechneter Kurs war korrekt und schneller als dein eigener Vorschlag. Das Armband tickt.«
Wie hätte Harry das vergessen können? Er nickte. »Du hast uns einige Zeit erspart. Wunderbar. Dann lass uns auch jetzt nicht trödeln.«
»Scanner sind schon in Aktion«, meldete Savanna. »Aber …«
»Was – aber?« Dieses Wort gefiel Harry gar nicht; er konnte in seiner Lage keine Aber gebrauchen, die Zeit kosteten und Probleme prophezeiten.
»Aber ich erkenne … nichts. Wenn ich den Anzeigen Glauben schenke, ist diese Welt eine öde, tote Steinkugel. Keine Lebenszeichen, offenbar nicht einmal pflanzliche Vegetation.«
Harry wandte sich seinem Ingenieur zu, der sich in diesem Fall auf seine Rolle als Alleskönner besonnen und als Pilot fungiert hatte. »Du bist sicher, dass wir vor dem richtigen Planeten stehen?«
»Soll das ein Witz sein, Harry? Er ist zu groß, als dass wir daran aus Versehen vorbeifliegen könnten.«
Das überzeugte den Kapitän der MERCHANT zwar ganz und gar nicht, weil es eine unendliche Menge ähnlich großer und noch größerer Planeten gab, aber er schwieg. Schließlich vertraute er Toler – und natürlich hatte dieser nicht den falschen Planeten angesteuert. Ein solcher Fehler würde ihm sicher nicht unterlaufen.
»Volltreffer«, rief Sonda, die sich an ihrem Arbeitsplatz über ihre Instrumente beugte und mit fliegenden Fingern ein Dutzend Schaltungen gleichzeitig vornahm. »Die Scanner werden gestört. Ich lokalisiere einen Störsender mit gewaltiger Leistung. Wir werden erst sehen, was dort unten wirklich los ist, wenn wir unsere guten alten Augen benutzen können.«
»Also landen wir«, stellte Harry nüchtern fest. »Toler, bereite den Fluggleiter vor. Vielleicht können wir einige echte Scannerwerte bekommen, wenn wir in die Stratosphäre einfliegen.«
Savanna blieb offenbar skeptisch. »Glaubst du?«
»Nein«, musste Harry zugeben. »Aber wie Sonda schon sagte – auf unsere Augen werden wir uns verlassen können.«
Toler verließ die Brücke. Savanna steuerte die MERCHANT in einen stabilen Orbit um den Planeten knapp außerhalb der Atmosphäre. Zu dritt marschierten sie dann in Richtung des
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