Sternenfaust - 149 - Apokalypse
er sich nur eine naive, menschliche Vorstellung von dem machte, was im Moment geschah. Er stellte es sich so vor, dass Myriaden von Atomen zu exakt vorausberechneten Molekülketten gebastelt wurden. Doch in Wahrheit lief hier viel mehr. Hier ereignete sich etwas auf einer Quantenebene, die der menschliche Geist vielleicht nie verstehen würde.
»Automatische Strukturprägung aktiviert«, meldete Stephen Baxter.
»Verstanden«, sagte Yasuhiro und war überrascht, wie ruhig und gefasst seine Stimme klang.
Denn das war der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab.
Yasuhiro setzte die Schutzbrille auf. Sie scannte den Raum und erzeugte vor seinem Auge ein dreidimensionales Abbild der Umgebung, allerdings ohne die irrwitzigen Lichtmengen, von denen die Kuppel nun gleich geflutet wurde.
Meterdicke, grelle Energiestrahlen glühten auf und fuhren von der Decke in die Emissions-Plattformen der aktivierten Zylinder. Es war, als ob diese Strahlen wie Bildhauer aus einem grell leuchtenden Nebel ein Kunstwerk meißelten. Schon bald nahm das, was wie eine Wolke aussah, die Form von sieben riesigen Kugeln an.
Diese Kugeln pulsierten. Sie wirkten wie weiße Zwergsterne. Über ihre Oberfläche schien wabernde Lava zu fließen.
Weiße Fäden schlangen sich wie lebendige Lianen aus diesen Kugeln.
Orphanen , dachte Yasuhiro andächtig.
Wir haben sieben Orphanen erschaffen!
Diese ultimativen Werke der Zerstörung, sie waren die Krönung der Wissenschaft. Sie waren gigantisch. Schön und Furcht einflößend zugleich. Wahrscheinlich das Mächtigste, das ein Mensch – ein biologisches Wesen – erschaffen konnte. Ein Wesen, das wie ein Gott allwissend war. Das Zusammenhänge sah und erspürte, die den Menschen in ihrer Quantenrealität für immer verschlossen bleiben würden.
Er konnte seine Augen nicht von diesen Wesen abwenden. Fast wollte er ihnen zurufen: Zerdrückt uns! Ihr seid die wahre Krone der Schöpfung. Wir sind nur unbedeutende Insekten. Die Galaxis gehört euch!
Yasuhiro warf einen flüchtigen Blick auf die Monitor-Anzeige. Die Zahl der Valenzelektronen stieg expotenzial an. Die Lichtwerte wurden höher und höher. Ohne Schutz hätte Yasuhiro nicht nur nichts mehr erkannt, er wäre darüber hinaus längst erblindet.
»Autarkie-Modus irreversibel initialisiert«, erschien auf der Monitoranzeige.
Nun gab es kein Zurück mehr. Die Büchse der Pandora war geöffnet.
Erneut ein kurzes Aufleuchten, das Yasuhiro nur anhand des Anstiegs der Lichtwert-Anzeige mitbekam.
Dann waren die Orphanen verschwunden.
Langsam nahm Yasuhiro seine Schutzbrille wieder ab und blickte ängstlich auf den Kom-Monitor.
Bald würde er eine Meldung erhalten.
Und dann würde er wissen, ob Projekt Pandora ein Erfolg war.
*
STERNENFAUST, im Orbit der Erde, 19. September 2271, 17:46 Uhr
»Erhöhte Valenz-Elektronen«, meldete Lieutenant Commander Austen. »Zugleich elektromagnetische Strahlung im Bereich 380 bis 780 Nanometer Wellenlänge.«
Jeder auf der Brücke wusste, was dies bedeutete.
»Auf den Hauptschirm«, meinte Cody, und man sah gerade noch, wie das Lichtermeer verblasste.
Neue Quallenwesen hatten sich formiert.
»Es sind sieben weitere Orphanen erschienen«, meldete Commander Austen.
Noch mehr , ging es Cody durch den Kopf. Bislang wusste man nur von sechs Orphanen, nun kamen sieben weitere hinzu.
»Lieutenant Brooks«, rief Cody in die Stille. »Geben Sie Meldung an Admiral Gernet.«
»Verstanden, Sir«, antwortete der junge Mann mit der tiefschwarzen Hautfarbe. Seine Finger huschten über die Touchscreen-Felder des Terminals, dann murmelte er etwas, wobei er sich bemühte, die anderen nicht zu stören. Nur ein »Verstanden, Ma’am.« Danach wandte er sich wieder an Cody. »Captain Mulcahy«, rief er. »Admiral Gernet möchte Sie sprechen.«
»Auf den Schirm«, erwiderte Cody.
»Captain Mulcahy«, sagte die Admiral Gernet. »Wie ich hörte, sind weitere Orphanen aufgetaucht. Können Sie sagen, was sie tun?«
»Ein Orphane nähert sich der STERNENFAUST, Ma’am«, antwortete Cody ruhig und gefasst, dabei trommelte sein Herz, und er spürte, wie sich auf seinem Rücken unangenehme Schweißflecken bildeten. Er versuchte, die Probleme in seinem Kopf zu ordnen. Admiral Taglieri war offenbar in der Gewalt von Adric, weitere Orphanen waren aufgetaucht, ein Kühlaggregat hatte versagt und machte die STERNENFAUST nutzlos, während die Vernichtung der Erde noch unmittelbarer bevorstand …
»Sind Sie mit dem
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