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Sternenfaust - 152 - Am Scheideweg (2 of 2)

Sternenfaust - 152 - Am Scheideweg (2 of 2)

Titel: Sternenfaust - 152 - Am Scheideweg (2 of 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymous
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brüchig. Der sonst so edle Gesichtsausdruck verzerrt zu einer dumpfen, fast dümmlich wirkenden Fratze. Der ganze Körper wie eine Insel in einem stetig größer werdenden Meer aus Blut.
    Kamior! Turanors mentaler Schrei hallt durch den Gedankenraum, seines Volkes wie das Echo einer Totenglocke. Kamior! Immer wieder … Kamior!
     
    *
     
    Izanagi Narada sah … und begriff.
    Eben noch hatte er inmitten der Evakuierungszentrale gestanden und gemeinsam mit Turanors Führungsstab die Übersiedelung der letzten Bewohner Helemaii’nus und die Ortszuweisungen der unfreiwilligen Exilanten auf Neso-Helemiiru koordiniert. Nun befand er sich mitten im Chaos.
    Rings um ihn schrien die Alendei. Natürlich drangen keine Laute über ihre Lippen, doch man musste nur in ihre Gesichter sehen, um den Schmerz zu verstehen, den sie fühlten. Die Hoffnungslosigkeit. Dazu hätte es des mentalen Klagegeheuls nicht bedurft.
    Izanagi war, als sei sein Geist ein Deich, der von heranströmenden Fluten überfallen wurde. Von überall her drangen Gedanken auf ihn ein, empfing er Verzweiflung und Pein. Normalerweise gelang es dem empathisch begabten jungen Mann, der einst dem Orden der Christophorer angehört hatte, nur bedingt, sich an der mentalen Unterhaltung der Alendei zu beteiligen – wenngleich er sie über Turanor schwach im Geiste hören konnte –, nun aber schienen sämtliche Dämme gebrochen. Die Intensität, mit der diese Bilder und Rufe des Schmerzes auf ihn niederfuhren, übertraf alles, was er bisher in Gegenwart der äußerlich doch so menschenähnlichen Außerirdischen erlebt hatte.
    Und es drohte, seinen Schädel zerbersten zu lassen. Zumindest fühlte es sich so an.
    »Was?«, rief Izanagi zwischen zusammengebissenen Zähnen ins Rund und sah von einem der Anwesenden zum nächsten. »Was kann ich tun? Wie kann ich helfen?« Doch er ahnte, wusste, spürte geradezu, dass hier jede Hilfe zu spät kam.
    Kamior!
    Der Schrei hallte in ihm wider, als hätte er ihn selbst formuliert, aber Izanagi erkannte die Quelle umgehend. Das war Turanor. Sein Freund von den Alendei. Er hatte … Er musste …
    Selbstmord.
    Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube, raubte ihm die Luft und für einen kurzen Augenblick beinahe sogar die Sinne.
    Ein Alendei hatte sich das Leben genommen.
    In der Gemeinschaft dieses Volkes war ein solcher Vorfall nahezu undenkbar. Kaum ein Alendei hatte je derart Hand an sich selbst gelegt. Zwar hatte es mitunter Alendei in den Freitod getrieben, wenn sie aus disziplinarischen Gründen aus der Gedankenverbindung ausgeschlossen worden waren, die alle Wesen dieser Spezies miteinander verband, jedoch waren das Kriminelle gewesen, sozial Unangepasste, deren Ausschluss allein schon mehr Leid und Bedauern in die Alendei-Kultur gebracht hatte, als es ihr Tod je hätte können. Sie waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Teil der telepathischen Gemeinschaft.
    Das hier war neu. Ein dramatischer, tragischer Präzedenzfall. Und er raubte diesen so kultivierten, besonnenen Kreaturen des Alls die Beherrschung.
    Plötzlich ahnte Izanagi, dass das Chaos, dem er sich im Innern der Koordinationszentrale von Neso-Helemiiru gegenübersah, überall herrschen musste, wo Alendei waren. Hier im Exil, daheim auf den Zwillingswelten Helemaii’nus, irgendwo im Transit. Sie alle litten unter dem Loch, das so unvermittelt in ihrer Gemeinschaft entstanden war. Sie litten unter den Qualen, die den Toten zu dieser sinnlosen Tat getrieben hatte.
    Kamior hatte den Schmerz nicht mehr ertragen. Die Trennung von seiner alten Heimat war zu viel für den Wissenschaftler gewesen, der erst vor Kurzem sein gesamtes Renommee in die Waagschale geworfen hatte, um eben diese Heimat zu retten – vergeblich. Und er hatte seinen Schmerz nicht durch den Halt in der Gemeinschaft lindern können.
    Seit Tagen schon hatte Izanagi den Eindruck, als beobachte er zunehmende Depressionen bei seinen Gastgebern. Als wüchsen die Schatten, die sich über die Mienen der Alendei gelegt hatten, seit sie im aussichtslosen Kampf um die Rettung Helemaii’nus kapitulieren mussten, von Stunde zu Stunde. Schwarze Schleier schienen seitdem über den Zügen der Alendei zu liegen, und wann immer Izanagi einem von ihnen ins Gesicht gesehen hatte, war ihm, als sei die Textur dieser imaginären Schleier wieder ein Gutteil dichter geworden.
    Ein Kokon , schoss es ihm nun durch den Kopf. Ein Kokon aus Trauer. Die Erkenntnis allein war genug, einen mitfühlenden Mann in den

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