Sternenfaust - 152 - Am Scheideweg (2 of 2)
»Nicht gerade die Welt.«
Vince lächelte nur. »Aber es wird sie sein. Die Welt. Dafür haben Sie gesorgt.«
Und das war überraschend einfach gewesen. Allein die Ankündigung, einer der namhaftesten Admirale des Star Corps und Kommandant der S.C.S.C. STERNENFAUST III wolle sich in einer öffentlichen Ansprache an das gesamte Volk richten, hatte bei den stets nach Sensationen gierenden Medien eine wahre Lawine der Aufmerksamkeit losgetreten. Sender und Programmproduzenten hatten sich buchstäblich überboten, sich die Übertragungsrechte und das Format der Rede sichern zu können. Alle waren im Rennen gewesen, weltweit, und es bereitete Mitchell noch jetzt eine nahezu diebische Freude, dass ausgerechnet sein Busenfeind Tim Pennington von der GNA den Zuschlag erhalten hatte – wobei Zuschlag ein zu hoch gegriffener Begriff war. Die GNA hatte bei Weitem nicht das attraktivste Angebot unterbreitet, aber für Mitchell und Taglieri kam es einer Art poetischer Gerechtigkeit gleich, dass ausgerechnet der Mann, dessen Berichterstattung maßgeblichen Anteil an Mitchells Fall und Cifarettos Aufstieg gehabt hatte, nun auch dieses Kapitel der ganzen Geschichte begleitete. Medienhuren wie er drehten ihr Fähnchen ohnehin nach dem Wind, oder?
Für Taglieri machte es keinen Unterschied. Geld hatte ihn noch nie interessiert.
»Da haben Sie verdammt recht«, murmelte Mitchell gerade. Es war absurd, aber er wirkte nervöser als Vincent, obwohl er doch nicht derjenige war, der in nicht einmal zehn Minuten zu einem Milliardenpublikum sprechen wollte. »Diese Welt und alle Kolonien. Selbst die Genetics haben Interesse signalisiert, die Aktion zeitversetzt in ihr Netz zu stellen.«
»Wenn Sie mich bitte begleiten würden?«, hörte er eine mit bezauberndem Timbre versehene Frauenstimme sagen.
Vince sah zur Tür, die Larryharry offen gelassen hatte, und sah die Schöne wieder. Sara Irgendwas. Sie hatte sie hergebracht, nachdem ihr Privatgleiter auf dem Dach gelandet war, und schon da angekündigt, sie auch persönlich zum Podium zu geleiten. Der Moment war offenkundig gekommen.
»Was? Jetzt schon?« Mitchells Lampenfieber schien gerade HD-Raum-Tempo erreicht zu haben. »Das Männlein eben sprach von zehn Minuten!«
»Bis zum Beginn der Sendung, richtig«, gab Sara so gelassen zurück, als habe sie jeden Tag mit panischen Talkgästen zu tun. Vermutlich hatte sie das sogar. »Aber in der Zeit müssen Sie noch ins Studio. Hier lang, Gentlemen.«
Die Flure des New Yorker GNA -Gebäudes am Rockefeller Plaza, einer traditionsreichen Adresse für Medienschaffende der amerikanischen Ostküste, waren so luxuriös ausgestattet, wie die Garderoben spartanisch waren. Vince und Mitchell schritten über nahezu unterschenkeldicke Teppiche und vorbei an von den Wänden prangenden Holo-Bildern der Stars des Hauses: Barry Champlain, Larry Kring, Tim Pennington … Eine Netzlegende nach der anderen grinste ihnen entgegen, als wolle sie ihnen Glück für den bevorstehenden Auftritt wünschen.
*
»Noch fünf, vier, drei …«
Räuspern. »Hier ist GNA Today , die Late Show mit mir, Ihrem Tim Pennington. Guten Abend da draußen.« Schlafzimmerblick in die fliegende Kamera, Vertrauen schaffen. Typ von Nebenan werden. »Meine Damen und Herren, danke, dass Sie sich auch dieses Mal für uns entschieden haben. Ich kann Ihnen versprechen: Sie werden es nicht bereuen. Unser heutiger Gast ist, das kann ich wohl mit Fug und Recht behaupten, so etwas wie eine lebende Legende. Rear Admiral Vincent F. Taglieri, gebürtig aus der Subregion Sizilien, hatte bereits viel von der Welt gesehen und ihr in administrativen Ämtern wertvolle Dienste geleistet, bevor er sich vor einigen Jahren aufmachte, das All zu erkunden. Als Kommandant der S.C.S.C. STERNENFAUST, dem Flaggschiff des Star Corps, ist er seitdem an vorderster Stelle, wo immer sich neue Möglichkeiten, neue Wunder, aber auch neue Krisenherde auftun. Heute Abend wird er uns auf eigenen Wunsch hin ein wenig über dieses Leben berichten: ein Leben zwischen den Sternen. Meine Damen und Herren, Admiral Vincent Taglieri.«
Höflicher Applaus der zweitausend Zuschauer im Saal.
»Guten Abend«, begann Vince ohne Umschweife, wobei ihm in diesem Moment einfiel, dass sicher nicht überall auf der Erde, wo man ihn sah, Abend war.
»Ich bin heute hergekommen, um Ihnen eine Geschichte zu erzählen. Sie handelt von einem Jungen, den ich einst kannte. Und ich benutze die Vergangenheitsform bewusst, denn
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