Sternenfaust - 152 - Am Scheideweg (2 of 2)
…
»Akutes Abdomen, Doktor«, erinnerte Chang ihren Vorgesetzten an Naradas aufgeblähten Bauch. »Da drin kann jederzeit …«
»Chrissie, zum letzten Mal: Ich habe Augen im Kopf.« Tregardes Ungeduld wurde nur noch von seiner Konzentration übertroffen. »Aber wenn wir jetzt nichts gegen seine Lungenbeschwerden unternehmen, kann ihm der Rest seiner Organe gar keine Probleme mehr bereiten. Toten ist der Zustand ihrer Milz in aller Regel schnurzegal.«
Die junge Frau schluckte, sparte sich aber jeden weiteren Kommentar. Mit geübter Präzision programmierte sie den Roboterarm, der den Laser auf Izanagis bloßen Brustkorb ausrichtete, aktivierte den dünnen Strahl, der sich durch Haut, Gewebe und Knochen schnitt.
Der bis dato völlig wehrlos auf dem Rücken liegende Patient bäumte sich mit einem Mal auf, als habe man Unmengen an Elektrizität durch seinen Körper gejagt. Lautes Computergeheul und plötzlich im Schulter- und Bauchbereich erschienene Brandwunden auf der Haut suggerierten, dass Izanagi die Fesselung der Kraftfelder durchbrochen hatte. So stark war sein inneres Feuer, so massiv waren seine Zuckungen.
»Ösöphagusvarizenblutung!«, rief Chrissie Chang abermals.
Turanor hörte, wie Mulcahy neben ihm scharf die Luft einzog.
Tregarde reagierte prompt und mit bewundernswerter Sachlichkeit. »Das Abdomen. Verdammt, wir bekommen heute auch alles gleichzeitig. Sofort den Laser abschalten, bevor wir ihm versehentlich die Halsschlagader durchtrennen!«
»Ich verstehe nicht viel von derartigen Dingen«, wandte sich Captain Mulcahy an seinen alendeischen Besucher, als könne er ihm übersetzen, was jenseits der Beobachterscheibe im grell ausgeleuchteten OP-Saal der Krankenstation geschah. »Aber soweit ich weiß, bedeutet das, dass Izanagi innere Verletzungen im Bauchbereich haben muss. Seine Organe dürften angegriffen sein.«
»Was sagt der Scanner, Leute? Perforiert da irgendetwas?«
Dr. Tregarde sprach mit seinem Team, ohne den Blick von dem abzuwenden, was seine eigentliche Aufmerksamkeit beanspruchte.
»Leber und Galle haben damit angefangen, soweit der Scanner sehen kann«, meldete einer der beiden anderen Mediziner, ein junger Mann mit Schnurrbart und dunkler Haut. »Magen und Gedärme beginnen, sich zu zersetzen. Nicht mehr lange, und wir sehen die Spuren der Nekrotisierung auch an den äußeren Extremitäten. Er stirbt uns weg, Doktor!«
»Nicht, wenn ich es verhindern kann«, knurrte Tregarde. Plötzlich hob er den Kopf, ließ von seinen Vorbereitungen ab. »Natürlich …«, murmelte er, als sei ihm etwas eingefallen, was er zu greifen versuchte. Sein Blick suchte Turanor jenseits des Sichtfensters und fand ihn. »Turanor, was ist dort unten geschehen? Hat es etwas mit Naradas telepathischer Begabung zu tun? Geht das hier auf … Ich weiß nicht … auf einen Kontakt mit der alendeischen Gedankengemeinschaft zurück?«
»Doktor, was tun Sie? Wir müssen …«
»Lassen Sie mich, Chrissie«, würgte er sie schroff ab. »Nur ein Wunder kann diesen Mann noch retten. Ich hoffe, ich habe es gefunden.« Lauter fuhr er fort: »Turanor, ich weiß, dass Sie mich hören können. Vielleicht verstehen Sie nicht, was ich Ihnen sage, aber ich muss es probieren. Stand Izanagi in Kontakt mit Ihrer Gedankengemeinschaft? Nicht mit Ihnen allein, sondern mit allen Alendei?« Dabei machte der Arzt eine Handbewegung, mit der er von seinem Kopf auf den Turanors deutete und dann einen weiten Kreis beschrieb.
Mittlerweile drang das Blut auch aus Izanagis Mund. Wahre Sturzbäche des roten Lebenssaftes sprudelten aus ihm hinaus, spritzten auf seine zerschundene Haut und seine zerrissene Kleidung.
Turanor schien verstanden zu haben und nickte.
Tregarde … Mulcahy konnte es kaum glauben! Bei allem, was heilig war: Tregarde schien zu lächeln! »Alles klar«, sagte er. »Myloforzin 33C vorbereiten. Zwei volle Dosen. Schnell, schnell.«
»Ein Gehirnstimulus? Doktor, die Neuralwerte sind das Geringste seiner Probleme.«
»Chrissie, Sie kosten mich bald den letzten Nerv!« Tregarde schnaubte, ließ aber nicht von seiner Arbeit ab. »Das Gehirn ist die Ursache all seiner Leiden. Was immer mit ihm geschehen ist, fußt auf einer mentalen Überlastung. Izanagis Geist hyperventiliert sozusagen, und was wir hier sehen und vergeblich einzudämmen versuchen, ist nur das Resultat dieser ursprünglichen, psychischen Verletzung. Wenn meine Theorie stimmt, könnte das Myloforzin den Kern seines Leidens heilen. Wenn nicht,
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