Sternenfaust - 152 - Am Scheideweg (2 of 2)
haben wir Izanagi ohnehin längst verloren.«
Ohne ein weiteres Wort verabreichten die Mediziner der STERNENFAUST ihrem Gefährten das Mittel – und nahezu sofort ließen die Zuckungen nach, verlangsamten sich Naradas Herzschlag und Atemfrequenz.
»Die Werte normalisieren sich«, rief der Schnurrbärtige über das Plärren der Scanner. »Sofern man hier überhaupt noch davon sprechen kann.«
»Keine Sorge, Klasen«, gab Tregarde grimmig zurück. »Um die Folgeschäden kümmern wir uns noch. Im Vergleich zu dem, was wir hier eben gemeistert haben, wird eine Lebertransplantation das reinste Kinderspiel.«
Was bin ich? , dachte Turanor. Ein Unglücksbringer. Ich habe mein Volk nicht retten können, sondern schickte es in ein Exil, in dem es sich derart verloren fühlt, dass es den Freitod der Existenz in der Fremde vorzieht. Ich habe Leid über es gebracht, und ich habe Izanagi, unseren geehrten Gast, an den Rand des Todes befördert. Ich bin ein Nichts. Nicht Kamior hatte den Tod verdient, sondern ich. Der Mann, der an seinem Elend Schuld trug. Wo immer ich bin, bringe ich Vernichtung. Was immer ich beginne, endet im Schmerz.
Captain Mulcahy sagte irgendetwas, doch der oberste Alendei sah nicht länger hin, achtete nicht auf seine Umgebung. Ein letztes Mal atmete er die kühle Luft im Beobachtungsraum der medizinischen Einrichtung an Bord der STERNENFAUST – und dann teleportierte er sich davon.
*
Einstein
»Meister William! Wie nett von Ihnen, abermals vorbeizuschauen.«
Ahoo I. Shahi war die Freundlichkeit in Person. Wie selbstverständlich – und mit einem Lächeln, das aufrichtiger wirkte, als so manches, was dem Christophorer-Mönch während seiner bisherigen Zeit auf dem Genetic-Planeten begegnet war – trat sie beiseite und ließ ihren Gast von Sirius III passieren. Seit William ihre traditionelle Frage – »Wie alt sind Sie, Meister William?« – mit der richtigen Antwort gewürdigt hatte – »Ich bin 4,6 Milliarden Jahre alt.« – hatte sich die Art, in der Shahi mit ihm umging, deutlich gewandelt. Zwar war die über hundertjährige Genetic mit den persischen Wurzeln auch schon der Inbegriff der Herzlichkeit gewesen, als William sie, Dana im Schlepptau, erstmals aufgesucht hatte, doch erst seit ihrem Treffen unter vier Augen fühlte er sich, als nehme sie ihn wirklich wahr. Als nehme sie ihn ernst.
»Was führt Sie zu mir?«, fragte Shahi, deutete einladend auf die bequeme Couch im Wohnbereich ihrer Unterkunft, und machte sich an einem Gerät zu schaffen, das in die gegenüberliegende Wand eingelassen war und dem Geruch nach diverse Tee-Sorten kredenzen konnte. »Und viel wichtiger: Wie geht Ihre Arbeit voran?«
Bei seinem letzten Besuch hatte er ihr gestanden, was er zu tun beabsichtigte. William war wegen Dana auf Shahis Spur gekommen – Shahi hatte dem Genetic-Arzt assistiert, der Danas Mutter vor Danas Geburt medizinisch versorgt hatte – und hatte gleich gemerkt, mit wem er es zu tun hatte. Daran hatten auch Shahis wenig hilfreichen Auskünfte und die Wand nichts geändert, die die persischstämmige Frau vor sich aufzubauen schien, wann immer William das Gespräch auf das Thema zu lenken versuchte, das ihn eigentlich interessierte – weit mehr als die mögliche – und wahrscheinliche – genetische Aufwertung der Dana Frost.
»Zäh, muss ich gestehen«, antwortete er nun auf die Frage seiner Gastgeberin und ließ sich mit einem Seufzer auf das Sofa sinken. »Zum einen stellt die Krankheit, die die Genetics befallen hat, die Medizin nach wie vor vor diverse unlösbar scheinende Rätsel, und zum anderen …«
Er musste nicht weiter sprechen. Shahi begriff sofort. »Zum anderen sind Genetics nicht unbedingt pflegeleicht im Umgang, richtig?«
»Nicht alle«, meinte Meister William kurz. »Aber ich habe die letzten Monate mit einigen Genetics verbracht und verstehe sie seitdem wohl etwas besser. Aber deswegen bin ich nicht hergekommen.«
Shahi nickte wissend. Es war offensichtlich, dass sie nichts anderes erwartet hatte. Und ihr Schweigen machte deutlich, dass sie – auch dieses Mal – nicht gewillt sein würde, William mehr zu sagen, als sie es bereits getan hatte.
Wollen wir doch mal sehen , dachte er grimmig und legte los. »Mrs. Shahi, mir ist bewusst, dass ich nicht zu den – Wie nennt man so etwas? – Adepten Ihres Zirkels gehöre und Sie demnach keinerlei Veranlassung verspüren, mich in die Pläne und Handlungen Ihrer Gemeinschaft einzuweihen. Und darum bitte
Weitere Kostenlose Bücher