Sternenfaust - 155 - Die Vergessenen
hatte.
»Wir können nicht wissen, was fremde Wesen wollen«, meldete sich nun der erste Offizier, Commander David Alyawarry. Der von den Aborigine abstammende Offizier hatte einst eine Ausbildung auf einer Christophorer-Schule genossen. Seine Gabe lag allerdings mehr im spirituellen Bereich. Das, was für andere wie ein Märchen klang, war für ihn zu seinem Weg geworden, Dingen und Lebewesen auf ganz besondere Weise nachzuspüren. Commander Alyawarry war fähig, in die Traumzeit einzutauchen und zeigte sich auch sonst als ein sehr sensitives Beispiel seiner australischen Ureinwohnerwurzeln. »Sie könnten sich so sehr von uns unterscheiden, dass ihre Motive unverständlich sind.«
»Aber das macht sie noch lange nicht unsichtbar«, beharrte Commander Black Fox.
»So ist es«, meinte Commander Austen. »Es geht mir gar nicht darum, die Möglichkeit von unsichtbaren Aliens generell auszuschließen. Mir geht es eher darum, dass wir dafür keinerlei Anhaltspunkte haben.«
Captain Mulcahy hatte sich die Einwände mit unbewegter Miene angehört, erhob sich nun, beugte sich vor und drückte die Handflächen auf die Tischplatte, während sein Blick jeden einzelnen der Reihe nach fixierte, als wollte er ihnen noch vorab die Ernsthaftigkeit seiner Worte deutlich machen.
»Doch. Es gibt einen Anhaltspunkt.«
Der Captain machte eine Kunstpause, richtet sich wieder zu voller Größe auf und fügte so trocken hinzu, als wäre es ein unausweichlicher Fakt: »Ich habe sie gesehen.«
Die Offiziere sahen einander fragend an, bis Commander Austen meinte: »Wie bitte?«
»Gesehen ist zu viel gesagt. Ich habe mich an sie … erinnert!«
»Erinnert?«, rief Commander Austen. »Was heißt erinnert?«
»Diese Wesen«, fuhr Captain Mulcahy ungerührt fort, »sind nicht von sich aus unsichtbar. Sie haben vielmehr die Fähigkeit, sich aus dem Gedächtnis anderer zu löschen. Zumindest aus einem organischen Gedächtnis.«
»Wollen Sie uns sagen, wir hätten sie gesehen und einfach wieder vergessen?«, rief Lieutenant Commander Jenny Black Fox. »Aber, sobald wir ein solches Wesen sehen, würden wir doch darauf reagieren, bevor wir es vergessen.«
»Nicht, wenn sie das Wesen vergessen, bevor sie darauf reagieren können.«
Commander Austen schüttelte den Kopf. »Die These erscheint mir … gewagt, um es gelinde zu formulieren.«
»Das ist sie«, stimmte ihm Captain Mulcahy zu. »Aber es ist im Moment die einzige These, die zu allen Fakten passt.«
»Welche Fakten denn?«, rief Jenny Black Fox.
»Dass ich mich über meinen Gedächtnischip ganz klar an Eindringlinge erinnern kann. Sie hingegen nicht. Diese Tatsachen lassen keinen anderen sinnvollen Schluss zu. Auf der STERNENFAUST befinden sich Eindringlinge. Sie sind für die lebensbedrohlichen Systemausfälle verantwortlich. Und sie sind in der Lage, sich aus unseren Gedanken zu löschen, indem sie auf unsere Gehirne einwirken.«
»Wozu?«, fragte Izanagi, und es klang weder provokant noch abschätzig. »Wenn diese Wesen uns feindlich gesonnen sind und tatsächlich über derartige Fähigkeiten verfügen, hätten sie uns längst töten können.«
»Eine gute Frage«, räumte Dana Frost ein. »Eine Frage, die es zu ergründen gilt.« Der dazugehörige Blick sagte deutlich, dass sie in dieser Sache Izanagis Unterstützung erwartete. »Ich glaube kaum, dass sie aus reiner Zerstörungswut unsere Systeme lahmlegen. Und ich denke, dass sie auch keine gezielt aggressiv gefärbten Motive haben. Denn, wie Sie so richtig einräumten: Gelegenheiten, uns allen mehr als nur Ärger zu bereiten, hatten sie gewiss. Doch bevor wir mögliche Maßnahmen besprechen, sollten wir uns ein detaillierteres Bild der aktuellen Lage machen. Commander Black Fox, wie steht es um die Systeme?«
»Wie bereits beschrieben, sind alle primär relevanten Module von dem Datenschwund betroffen. Unseren bruchstückhaften Analysen zufolge hat es bei den Video- und Kommunikationssystemen angefangen und sich erst danach in der Breite auf jeden erdenklichen anderen Prozess ausgeweitet. Von einfachen mechanischen Datenspeichern bis hin zum gesamten Datennetzwerk.«
»Was funktioniert noch?«, wollte Captain Mulcahy wissen.
Die Chefingenieurin, die den Captain im Stehen um einige Zentimeter überragt hätte – und das auch ohne die aufwendig hochgesteckten Haare überhaupt zu berücksichtigen – schnaubte einmal aus und fuhr in grimmigerer Tonlage fort. »Die Lebenserhaltung, die Strahlenschutzschirme und die
Weitere Kostenlose Bücher