Sternenfaust - 160 - Die Space-Oma
er eine Atmosphäre, die Dana nur als boshaft bezeichnen konnte. William wirkte schadenfroh, hinterhältig und missgünstig.
»Die Geheimnisse in den subatomaren Partikeln«, lachte er. »Das Grundrauschen der Moleküle. Ist es nicht erbärmlich, was die Menschen aus ihrem eigenen Gott gemacht haben? Einem Gott, der einst Planeten mit Naturkatastrophen heimsuchen, Meere mit seinem Atem teilen und Feuer vom Himmel regnen lassen konnte? Jetzt versteckt man ihn im Mikrokosmos. Macht ihn klein und unbedeutend. Doch die wahren Herrscher werden kommen. Sie werden kommen und uns niederzwingen. Sie werden über unsere Arroganz hinwegfegen. Unsere Eitelkeit bestrafen. Sie werden uns demütigen für unsere Wissensgier, mit der wir das Universum entzaubern. Und wir, wir werden wieder hineinkriechen in den Staub und den Dreck, aus dem wir gekommen sind.«
»Wer wird kommen?«, wollte Ash wissen.
»Der Teufel wird kommen!«, flüsterte Meister William und grinste. Dann lachte er.
»Der Teufel?«, hakte Dana nach. Sie kam sich vor, wie jemand, der versuchte, mit einem Geisteskranken eine sinnvolle Diskussion zu führen. Dana wollte nicht glauben, dass das hier Meister William war. Und sie spürte, wie sie sich selbst an die Vorstellung klammerte, Meister William sei von etwas besessen.
»Der Teufel wird kommen und sein Höllenreich errichten!«
Dana erinnerte sich kurz an ihr Erlebnis auf dem Wüstenplaneten. Admiral Vincent Taglieri war damals einem Alien begegnet, bei dem es sich um einen letzten Überlebenden der Erhabenen gehandelt hatte, dessen Identität erst später geklärt werden konnte: Mato Kin Wayat war sein Name gewesen { * } . Auf dem Wüstenplaneten hatte dieses Wesen von der Ankunft der Erzengel gesprochen. { * } Dana und die anderen Gestrandeten hatten es zunächst für wirres Gerede gehalten.
War es nun ähnlich? Sprach Meister William auch von etwas Konkretem und benutzte dafür Begriffe aus der Religion?
»Sein Höllenreich?«, wiederholte Dana, immer noch skeptisch, ob diese Unterhaltung zu irgendetwas gut war.
»Die Verbannten kommen. Die Gejagten kommen. Ihre Jäger kommen. Die Armeen kommen. Die Siedler kommen. Sie kommen aus dem Raum des Wahnsinns. Aus dem Raum der verschmolzenen Zeitströme.« Plötzlich spürte Dana, wie ihr kalt wurde. Sie warf einen Blick auf Ash und sah, wie er sich am Ärmel seiner Star-Corps-Uniform rieb. Auch er schien zu frieren.
»Sie werden die Furcht erneuern«, rief Meister William. »Sie werden uns erinnern, dass wir Sklaven sind. Ihr habt die Wächter getötet, und nun wird die Hölle losbrechen.«
Einen kurzen Moment musste Dana an ihren seltsamen Traum denken. Ihr Traum, ihr Albtraum , war ihr wie ein Ausflug in ihre persönliche Hölle vorgekommen. Es war der Gedanke, als Kommandantin der STERNENFAUST hilflos dem Untergang des Schiffes zusehen zu müssen. Seit dem grauenhaften STERNENFAUST-II-Zwischenfall { * } hatte sie sich geschworen, dass dies nie wieder passieren dürfe. Doch die Angst, etwas Derartiges könnte sich wiederholen, war sie nie losgeworden.
»Ich glaube nicht an die Hölle!«, sagte Dana entschlossen.
»Dann bist du eine Närrin«, spottete Meister William und grinste erneut. »Denn die Hölle umgibt dich!«
»Es hat keinen Sinn«, sagte Ash zu Dana.
Sie tendierte dazu, ihm beizupflichten. Sie nickte traurig und wollte sich schon abwenden, als sie einhielt und fragte: »Was soll das heißen, nun wird die Hölle losbrechen ?«
»Was, glaubst du, ist die Hölle?«, wollte der Christophorer-Mönch wissen.
»Die Hölle ist es, Sie hier so zu sehen, mein Freund«, sagte Dana traurig.
»Nein, das ist nicht die Hölle«, antwortete William. »Die Hölle ist Einsamkeit. Die Hölle ist Nutzlosigkeit. Die Hölle ist Hoffnungslosigkeit. Die Hölle ist das Fehlen von allem. Die Hölle ist die Leere. Die Leere, die wir immer wieder in uns spüren. Seit unserer Geburt wissen wir um ihre Existenz. Wir spüren sie mit all unseren Sinnen. Daher all die lächerlichen Mühen, diese Leere auszufüllen. Mit Gedanken, mit Aktivitäten, mit Beziehungen, mit Leidenschaft, mit Gier, mit Kämpfen, mit Wissen. Doch unbewusst erahnen wir sie, diese trostlose Leere, die unser aller Schicksal ist. Das ist der unvermeidliche Moment, den wir so sehr fürchten. Wenn nichts mehr von uns bleibt. Die Leere wird kommen, und ihr habt die Einzigen vernichtet, die diese Leere hätten aufhalten können. Selbst der Schmerz wird die Leere nicht auf Dauer vertreiben können. Denn
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