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Sternenfaust - 163 - Turanors Entscheidung

Sternenfaust - 163 - Turanors Entscheidung

Titel: Sternenfaust - 163 - Turanors Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymous
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an der Stadtmauer. Hier war er noch nie gewesen, und so legte Aemilius die Hände an den kühlen, unebenen Stein. Er fühlte die Rillen und Vertiefungen in der Mauer, die drei Häuser hoch über ihm aufragte. Es war eine dicke Mauer, wie er wusste.
    Er legte die Wange an die Mauer und genoss die Kühle des Steins. Ein wohliges Frieren überkam ihn und er zitterte leicht.
    Jenseits der Mauer lagen die Felder und das weite Land. Da waren Federbaum-Haine und Tümpel, die von der Burg aus wie dunkle Flecken wirkten. Jenseits der Mauer war die Welt, die Aemilius nur als Miniaturbild kannte.
    Oft hatte er sich hineingeträumt in diese Welt, war über die Feldwege gewandert, hatte an den Tümpeln gesessen und war den Erntewagen hinterhergelaufen, die von kräftigen, sechsbeinigen Hipponen gezogen wurden.
    Einmal dort draußen sein und die Welt auf eigene Faust erkunden!
    Was mochten die Federbaum-Haine an Überraschungen bereithalten? Welche Tiere würden in den Tümpeln schwimmen?
    Wenn er nur einfach durch die Mauer hindurchspazieren könnte, so wie es Tullius, der Sohn des Stallmeisters, von sich behauptet hatte! Doch Tullius war ein erfindungsreicher Wichtigtuer, der, wenn er einmal mit dem Lügen begonnen hatte, nicht mehr damit aufhören konnte. Er hatte doch tatsächlich behauptet, aus einer dunklen Kellerkammer, in die ihn sein Vater wegen eines kleinen Obstdiebstahls eingesperrt hatte, auf eben diese Weise entkommen zu sein. Mit dramatischen Gesten hatte er Aemilius vorgeführt, wie er einsam in der Dunkelheit gehockt und sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als seinem Gefängnis zu entweichen. Er habe all seine Gedanken auf den kleinen Platz beim Brunnen gerichtet, dorthin, wo er mit Aemilius öfter mit Murmeln spielte. Er habe gebetet und sich den Platz und die Mauer in jeder Einzelheit, mit jeder Ritze und Fuge vorgestellt. Nichts anderes sei mehr in seinem Kopf gewesen als der kleine Platz beim Brunnen, und mit aller Macht habe er sich dorthin gewünscht. Und dann – auf einmal! – sei er da gewesen! Er habe nicht gewusst, wie ihm geschehen war. Plötzlich habe er auf dem kleinen Platz beim Brunnen gestanden.
    Wer ihn denn gesehen habe, als er so unerwartet dort auftauchte, hatte Aemilius wissen wollen. Niemand, hatte Tullius geantwortet, zum Glück! Zufällig sei niemand dort gewesen, sonst hätte man ihn vielleicht wegen schwarzer Zauberei bestraft! Denn dass es mit einem Zauber zugehen müsse, sei ja wohl klar!
    Daran musste Aemilius jetzt denken. Und er begann, sich den Fahrweg jenseits der Mauer vorzustellen. Er malte sich aus, einfach zu verschwinden und jenseits der Mauer wieder aufzutauchen. Anfangs empfand er es als etwas peinlich, sich auf die Narreteien von Tullius einzulassen, doch schob er dieses Gefühl mehr und mehr beiseite, presste die Augen zusammen und konzentrierte sich auf sein Ziel.
    Aber er blieb da, wo er war.
    So ein Unsinn! , schimpfte er in Gedanken und schämte sich ein wenig.
    Dann kam ihm eine Idee: Wenn er schon die Stadtmauer nicht überwinden konnte, so würde er wenigstens versuchen, sie zu erklimmen. Niemals in seinem Leben war er auf dem Wehrlauf dort oben gewesen, und dort einmal hinzugelangen, schien ihm ein abenteuerliches Ziel zu sein.
    Also bog er nach links in den schmalen Gehweg ein, der an der Mauer entlangführte. Irgendwann müsste ja eine Treppe kommen, die zum Wehrgang hinaufführte.
    Statt einer Treppe stieß er schließlich auf eine Holzleiter, die an der Mauer befestigt war.
    Aemilius atmete kräftig durch und begann den Aufstieg. Sprosse um Sprosse kletterte er höher, befand sich bald über den Hausdächern und erreichte schließlich den Lauf gang.
    Seine ersten Schritte ließen ihn stolpern und stürzen, was einigen Krach verursachte. Ängstlich blieb er liegen, während er sich das Schienbein rieb. Doch in der Nachbarschaft regte sich nichts.
    Er rappelte sich auf und stellte fest, dass er über eine hölzerne Schubkarre gestolpert war. Sie war – wie er mit den Händen ertastete – mit Sand gefüllt. Schließlich konnte Aemilius noch eine große Anzahl an Quadersteinen und eine Kelle ausmachen. Jetzt fiel es ihm wieder ein: Sein Vater hatte angeordnet, die Stadtmauer zu erhöhen. Offenbar war man hier tagsüber mit den entsprechenden Arbeiten beschäftigt.
    Aemilius bewegte sich vorsichtig weiter und blickte immer wieder in die Ferne. Ganz langsam kroch die Dämmerung herauf, und am Horizont waren die ersten Schattenrisse kleiner Wäldchen zu

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