Sternenfaust - 178 - Vertraue nie einem Genetic!
steuerte die genetischen Endresultate, sondern ein schlichtes Zufallssystem, das sich nach dominantrezessiven Gesetzmäßigkeiten richtete.
»Sie haben recht«, sagte Ragnarök schließlich. »Ich kann nicht im Dunkeln sehen, ich kann nicht Wasser in Wein verwandeln und auch nicht Licht in Traubenzucker.«
»Macht Sie das Ihrer Meinung nach natürlicher als die anderen Genetics?«, wollte Kevin S. Prize wissen.
»Keine Ahnung«, erwiderte Ragnarök. »Ich denke nicht darüber nach.«
»Das zumindest haben Sie mit den anderen gemein«, erklärte Saxana I. Rousek.
»Den anderen?«
Saxana I. Rousek nickte, während sich die Lifttür schloss. »Den anderen Genetics. Sie hinterfragen die Vorzüge ihrer genetischen Verbesserung nicht. Und es interessiert Sie auch nicht, was aus jenen wird, denen es weniger gut ergeht.«
»Falls Sie es noch nicht kapiert haben«, widersprach Ragnarök, »ich lebe nicht mehr in den Drei Systemen.«
»Und das ist Ihr Glück«, sagte Kevin S. Prize und starrte ihm ins Gesicht. »In den Solaren Welten konnten Sie dank Ihrer genetischen Verbesserungen Karriere machen. Sie sind der Chef der Marines auf diesem Schiff, ein Posten, den Sie ohne genetische Optimierung wahrscheinlich nicht bekommen hätten.«
»Was soll ich tun?«, wollte Ragnarök wissen. »Mich unter Wert verkaufen? Nur noch das tun, was ich auch im Fall eines genetischen Worst Case hätte erreichen können?«
»Natürlich nicht. Aber Sie könnten Ihre privilegierte Position nutzen, um denen zu helfen, denen es nicht so gut erging.«
»Ich soll mich also stets und überall auf die Seite von Unterdrückten und Benachteiligten schlagen.«
»Eine bequeme Ausrede, es nicht zu tun«, erklärte Saxana-I. Rousek. »Sie wissen genau, dass das niemand kann und auch niemand von Ihnen erwartet.«
»Aber man kann denen helfen, die direkt neben einem stehen«, sagte Kevin S. Prize, und plötzlich war Ragnarök die körperliche Nähe zu dem grünhäutigen Genetic besonders unangenehm.
Eines war sicher: Unrecht und Diskriminierung ließen sich besser ertragen, wenn sie weit weg waren, wenn man sie nicht zu Gesicht bekam und sich selbst in seine albernen Vorurteile und Rechtfertigungen einigeln konnte.
*
»Initiiere Neu-Rep«, erklärte Dr. Scott.
Dr. Blair Sparker nickte kurz und ließ ihre Augen nicht von der Bildschirmanzeige.
Sie hatten dem verstorbenen Jay Ondeo den Kopf rasiert und daran mehrere Elektroden-Scanner angebracht.
Der junge Offizier hatte kein auffallendes Äußeres. Und auch sein Lebenslauf war in jeglicher Hinsicht durchschnittlich.
Warum hatte man ausgerechnet ihn durch einen Doppelgänger ersetzt?
Gleiches galt für Cristina Silva. Ihre Karriere war mehr als durchschnittlich. Begonnen hatte sie als Fähnrich auf der PLUTO, und nachdem dieses Schiff zerstört worden war, hatte sie auf der HELSINKI gedient.
Dennoch war Blair überzeugt, dass diejenigen, welche in die Solaren Welten heimlich Doppelgänger eingeschleust hatten, bestimmte Auswahlkriterien verfolgten. Schließlich hatte dies auch ein Bericht bestätigt, der von einer Journalistin im Wega-System in die Datennetze eingeschleust werden konnte. Zwar war nicht klar, ob die darin gezeigten Bilder von riesigen Anlagen, in denen Menschen kopiert und getötet wurden, echt waren, doch Blair zweifelte nicht daran. Diese Bilder waren es letztlich auch gewesen, die sie veranlasst hatten, den Solaren Welten ihre Hilfe anzubieten.
Vielleicht aber lag sie mit ihrer Theorie auch völlig falsch. Denn nach wie vor war es eine reine Vermutung, dass die fremden Angreifer ihre Doppelgänger nach gezielten Kriterien auswählten. Vielleicht hing es – wie so vieles in den Solaren Welten – allein von zufälligen Gelegenheiten ab, wer durch einen Doppelgänger ersetzt wurde oder nicht. Vielleicht entpuppte sich auf der STERNENFAUST am Ende die Köchin Missie als Agent!
»Ich beginne mit der elektrischen Ladung«, erklärte Dr. Scott und berührte ein Touchscreen-Feld der Medo-Anzeige.
Grundsätzlich entstanden bei allen Leistungen des Gehirns elektrische Ströme, weil alle Nervensignale elektrochemischer Natur waren. Allein 38 Substanzen wirkten im Gehirn als Neurotransmitter, die bei den einzelnen Nervenfasern elektronische Signale von bis zu achtzig Millivolt erzeugten, wobei die Intensität eines Nervensignals nicht von der Voltstärke sondern von der Höhe der Signalfrequenz abhing. Diese Frequenz konnte bis zu 250 Hertz betragen – eine Taktfrequenz,
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