Sternenfaust - 187 - Fanal der blauen Sonne
zu haben. Irgendetwas erwartet uns hier.«
Joelle konnte sehen, wie Yefimov die Stirn runzelte. Offenbar sah er sich aufgrund dieser Aussage in seinem Vergleich mit der Venusfliegenfalle nur bestätigt.
»Was ist mit Ihrem Eponen, Taro?«, schaltete sich nun auch Captain Mulcahy in das Gespräch ein. »Ist er noch bei Ihnen? Und wäre er notfalls in der Lage, sie zu retten?«
Taro war der Reiter eines Heros-Eponen namens Cyx. Eponen waren Wesen, die für Menschen nicht sichtbar waren. Wenn Taro auf Cyx »ritt«, sah es für Menschen so aus, als würde Taro lediglich an einen anderen Ort teleportieren.
Angeblich war es Taro möglich, eine weitere Person auf seinem Heros-Eponen mitzunehmen. Bislang hatte man das bei Menschen noch nicht ausprobiert. Es schien schlichtweg zu riskant, und es war noch immer offen, ob es überhaupt funktionierte, da Menschen den Eponen nicht sehen konnten.
»Ich kann Cyx kaum bändigen«, antwortete Taro schließlich. »Ich weiß nicht …«
Taro schien erneut nach Worten zu suchen, sodass Turanagi helfend einsprang: »Taro möchte kein Risiko eingehen. Gerade eine Flucht traut er im Moment seinem Eponen nicht zu. Es ist gefährlich, einen Eponen zu reiten, wenn er nicht vollständig unter der Kontrolle seines Reiters steht.«
Der Captain wiegte den Kopf. »Hoffen wir also, dass wir die Hilfe von Cyx nicht benötigen.« Dann nickte er dem Colonel zu. Yefimov hatte verstanden.
Die zehn Marines, darunter Yefimov und Cimino, bildeten eine Raute um das übrige Außenteam.
Auf diese Weise rückten sie langsam vor.
Im Inneren des Gebäudes herrschte Dunkelheit, sodass alle ihre Helmscheinwerfer aktivierten. Die Luft war feucht und klamm. Das Wasser stand ihnen nicht einmal bis zu den Knöcheln, also schien es an irgendeiner Stelle abzulaufen.
Joelle lief an der Wand entlang und strich über die Zeichnungen und die eingelassenen Edelsteine. Alles sah aus wie in ihrem Traum, den sie nun endgültig als das akzeptierte, was er war – eine Vision.
»Interessant«, murmelte Mary Halova. Sie leuchtete mit ihrem LED-Scheinwerfer die Malereien aus.
»Aufzeichnung starten«, las Joelle die tonlos vorgetragenen Worte von ihren Lippen ab.
Eine bedrückende Stille lag in der Halle. Das Tosen des Windes und die vereinzelten Schreie der dornbewehrten Vögel waren nicht mehr zu hören. Nur ab und zu ertönte das Piepsen und Summen der Gerätschaften, untermalt von dem leisen Tropfen und Gurgeln des Wassers, das irgendwohin verschwand.
»Ich orte organisches Leben«, meldete einer der beiden Techniker, der die Halle scannte. Mit ihren Helmscheinwerfern beleuchteten die Männer und Frauen Wände, Boden und Decken. Doch außer Algen, Moos und Schneckentieren entdeckten sie nichts.
Es roch muffig. Für einen Moment befürchtete Joelle, dass sie zu spät kamen, dass sie nur in einer Trockenperiode die Möglichkeit besaßen, das Akoluthorum zu finden.
Als sie in die Mitte der Halle trat und zur Decke hochsah, verspürte Joelle Enttäuschung. Das Loch, das dort in ihrer Vision geklafft hatte, existierte in der Realität nicht.
Ihre Zweifel wuchsen.
Sie musste gähnen und wischte sich über die Augen. Ein Schleier hatte sich über ihr Blickfeld gelegt. Ihr Versuch, den Blick durch Blinzeln zu klären, scheiterte.
Was war plötzlich los mit ihr?
Ihre Fingerspitzen begannen zu kribbeln. Dann ihre Zehen. Dieses Gefühl zog sich weiter durch den gesamten Körper.
Lag nicht ein Hauch von Muskat in der Luft? Oder bildete sie sich das nur ein?
Sie hörte noch das Platschen eines Körpers ins Wasser.
»Helme schließen«, rief eine befehlsgewohnte Männerstimme.
Venusfliegenfalle , schoss es Joelle durch den Kopf. Ihre Beine gaben nach, und das Letzte, was sie mitbekam, war ein Schwall kalten Wassers in ihrem Gesicht und ein huschender Schemen, der auf sie zuraste.
*
Joelle erwachte nur mühselig.
Sie spürte keinen Boden unter den Füßen, sondern baumelte an den Händen gefesselt in der Luft. Der Schmerz überwältigte sie im ersten Moment beinahe, sodass sie wieder in Ohnmacht zu fallen drohte. Mühsam widerstand sie der Verlockung, auf diese Weise den Schmerzen zu entgehen.
Verkrustetes Tränensekret verklebte ihre Augen. Ihr war übel. Die Fesseln schnitten immer heftiger in das Fleisch, jetzt wo sie begonnen hatte, sich zu bewegen.
In ihrem Nacken brannte die Sonne. Die Muskulatur fühlte sich hart wie Stein an.
Den Schmutz fortblinzelnd öffnete sie die Augen, nur um sie direkt
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