Sternenfaust - 194 - Der Hüter des Krinoi'i
dass der mentale Schutz es vor ihnen zuverlässig verbirgt. Denn eine Pflichtverletzung gegen das Krinoi’i wiegt lange nicht so schwer wie das Überleben unseres Volkes.«
Er wartete Corshoans Antwort nicht ab, sondern bestieg seinen Eponen und kehrte zur Siedlung zurück.
Corshoan sah ihm nach und fühlte wieder die tiefe Trauer in sich aufsteigen, die sein ständiger Begleiter war, seit er die Vision von der Vernichtung Tikaras gehabt hatte. Er hatte den Eindruck, dass er nie mehr etwas anderes empfinden würde. Umso mehr fühlte er sich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das Leid der Überlebenden nicht noch verschlimmert wurde.
Er ging in den Schrein, setzte sich vor der Schatulle mit dem Krinoi’i auf den Boden und sammelte seine mentalen Reserven. Er ignorierte seine Erschöpfung und verwob seine Energie zu einem aus mehreren Schichten bestehenden mentalen Wall, der den gesamten Schrein umgab, und pumpte jedes Quäntchen Kraft hinein, das er aufbringen konnte, bis er vor Erschöpfung bewusstlos zusammenbrach.
*
S.C.S.C. STERNENFAUST III
3. November 2273
»Herein!«, forderte Dana ihre Besucherin auf, als der Summer zu ihrem Bereitschaftsraum anschlug.
Die Tür glitt zur Seite. Eine Frau in der Uniform der Marines trat ein und salutierte. Bis auf die Größe hatte Dana den Eindruck, sich einer weiblichen Ausgabe von Colonel Yefimov gegenüberzusehen. Wie er trug sie ihr blondes Haar bürstenkurz und besaß eine durchtrainierte Figur. Sogar die blauen Augen hatte sie mit ihrem Vorgesetzten gemeinsam.
»Nehmen Sie Platz, Sergeant McRae. Sie wollten mich sprechen?«
Anne McRae setzte sich auf die Kante des Sessels, auf den Dana deutete, behielt aber ihre aufrechte Haltung bei. Sie gehörte ursprünglich zur Besatzung der STERNENFAUST II und hatte sich laut Yefimovs Bericht gut bei den Marines integriert, weshalb Dana sich fragte, welchem Zweck ihre Bitte um ein persönliches Gespräch diente.
»Ma’am, ich möchte den Dienst quittieren.«
Dana glaubte, sich verhört zu haben, weshalb sie die jüngere Frau stumm anstarrte.
»Ich weiß, Ma’am, dass ich nicht einfach das Schiff verlassen kann, weil es keine Solaren Welten und ihre Kolonien mehr gibt. Gerade deshalb empfinde ich meinen Dienst als«, sie holte tief Luft, »als sinnlos. Ich meine, es ist natürlich nicht sinnlos, die Besatzung beim Kontakt mit fremden Wesen wie diesen Tenebrikonern und anderen unerfreulichen Zeitgenossen zu schützen. Aber ich kann mich nicht mehr mit den Zielen identifizieren, für die ich bei einem Eintritt ins Marine Corps geschworen habe einzustehen. Weil die Solaren Welten nicht mehr existieren. Und nicht nur die.«
»Sergeant, wenn unsere Mission Erfolg hat …«
»Und eben daran glaube ich nicht, Ma’am. Ich bitte um Verzeihung, aber das ist für mich derart unrealistisch, dass ich es in unserer aktuellen Situation für nackten Irrsinn halte, diesem Ziel nachzujagen und die wenigen Menschenleben, die noch übrig sind, dafür zu riskieren. Erst vor Kurzem sind drei Kameraden einen sinnlosen Tod gestorben. Und sie werden nicht die Letzten sein, wenn wir weiter durch diese Galaxie hetzen und sinnlosen Fragmenten nachjagen.«
Dana nickte langsam. Genau das hatte sie befürchtet. Auch das Benehmen von Mark Teskov war Dana zu Ohren gekommen, und sie wusste, dass sein Verhalten, als er Missie und ihre Kochkünste beleidigte, auch nur von den Zweifeln an der Mission veranlasst worden war.
»Die Nerven liegen bei uns allen mehr oder weniger blank, Sergeant.«
»Verzeihung, Ma’am, aber meine Nerven liegen nicht blank. Ich frage mich nur, wie es kommen konnte, dass wir im All Sternenamuletten nachjagen und an unsichtbare Drachenwesen glauben, die wir weder sehen noch scannen können.«
»Die Akoluthoren sind kein Mythos, sie sind real«, widersprach Dana.
»Und es soll nur zwölf davon geben?«, spottete McRae. »In der gesamten Galaxie. Und dennoch fallen sie uns unentwegt in den Schoß. Inzwischen hat sogar Missie ein Akoluthorum.«
»Würde es Sie zuversichtlicher stimmen, wenn unsere Suche ergebnislos verliefe?«, wollte Dana wissen.
»Ich habe eine Entscheidung getroffen. Ich bin lediglich gekommen, sie Ihnen mitzuteilen und mit Ihnen gemäß Colonel Yefimovs Weisung zu besprechen, in welcher Weise es möglich ist, meinen Entschluss unter den gegebenen Umständen umzusetzen.«
Genau das war das Problem. Natürlich konnte Anne McRae als Zivilistin an Bord bleiben; sie würde das müssen, wenn
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