Sternenfaust - 194 - Der Hüter des Krinoi'i
Ausschlag für die Entscheidung gegeben, dass die Bewahrung des Krinoi’i eine heilige Pflicht war und die Tikar’Senn ohnehin nur noch eine vergleichsweise kurze Zeit, wenn auch von nicht genannter Länge, durchhalten mussten, ehe der Auserwählte kam und es mit sich nahm.
Er glaubte nicht daran. Er hielt es für naheliegender, dass das Kommen des Auserwählten so nahe sein könnte wie nie zuvor. Er hegte aber starke Zweifel daran, dass der vor den Tenebrikonern hier wäre. Solange das Krinoi’i noch auf Tikara weilte, befanden sich die letzten Tikar’Senn in größter Gefahr. Der Hüter hatte zwar recht damit, dass die heilige Pflicht verbot, es den Tenebrikonern auszuliefern. Er hatte auch recht mit dem Argument, dass den Arakain’Senn nicht zu trauen war und sie den Standort von Tikara-Halakk verraten würden, um sich weitere Vorteile von den Tenebrikonern und ihren Herrn, den Skianern, zu erkaufen. Dennoch musste das Krinoi’i weg.
Er war sich bewusst, dass das, was er gerade dachte und noch mehr das, was er plante, gegen alles ging, was die Tikar’Senn zutiefst verinnerlicht hatten. Aber er sah keine andere Möglichkeit, um das Volk zu retten. Wenn man das Krinoi’i nicht weggeben konnte, musste man sich seiner eben auf andere Weise entledigen. Wenn er es geschickt genug anstellte, würde niemand ihn sehen, niemand etwas bemerken und somit auch niemand erfahren, was er getan hatte.
In einem Punkt war er dem neuen Tikara dankbar, denn es lieferte ihm genau das, was er braucht, um seinen Plan durchzuführen. Da die meisten Tikar’Senn sich von dem Schock ablenkten, den die Zerstörung ihrer alten Welt in ihnen ausgelöst hatte, indem sie die Umgebung der Siedlungen erkundeten, gab er vor, dies ebenfalls zu tun. Er nahm einen Mineraliensucher mit, der zu jedem Haushalt gehörte, und drang jenseits der Siedlung in die Vegetation vor.
Da er vor Jahren schon mehrfach zu den Erntegruppen gehört hatte, die regelmäßig die Früchte von Tikara-Halakk geholt hatten, kannte er sich hier aus und hatte schon damals entdeckt, welche Rohstoffe diese Welt im Überfluss barg.
Das Gebirge war nicht weit entfernt. Ein See, dessen fluoreszierendes Wasser zeigte, dass es eine der erforderlichen Komponenten enthielt, war ebenfalls nah. Er ging und sammelte ein, was er brauchte.
Es dauerte Stunden, bis er alles zusammen hatte, da er sich immer wieder vergewissern musste, dass er nicht beobachtet wurde und ein paar Mal anderen Tikar’Senn ausweichen musste, die in dieselbe Richtung wanderten wie er. Dazu dauerte die Gewinnung der Stoffe einige Zeit. Er musste sie aus dem Boden graben, aus den Felsen schneiden und von der zähen Oberfläche von Bäumen kratzen. Nur das Schöpfen des Wassers ging leicht.
Als er endlich alles zusammen hatte, ging gerade die zweite Sonne unter. Zwar war das Licht der Monde immer noch hell, aber nicht zu hell.
Es war gut so, dann würde ihn niemand sehen.
Schließlich kehrte er in die Siedlung zurück und bereitete in seinem Haus die Substanz zu, die das Krinoi’i vernichten würde. Danach wartete er, bis er sich sicher war, dass die meisten, wenn nicht alle Bewohner der Siedlung schliefen oder sich zumindest in ihren Häusern aufhielten. Vor allem, dass er sich sicher sein konnte, dass der Hüter schlief.
Das tat Corshoan in den letzten zwei Tagen ausgiebig. Er hatte seine Kräfte beinahe völlig verausgabt, als er den Schrein und das Krinoi’i mit dem stärksten mentalen Schutz versehen hatte, den er mit seinem Geist errichten konnte. Am nächsten Tag hatte man ihn bewusstlos im Schrein gefunden. Seitdem kümmerte sich eine der Heilerinnen um ihn und hatte ihm größtmögliche Ruhe verordnet.
Besser konnte es für seine Pläne nicht sein.
Er verließ sein Haus und ließ sich von seinem Eponen zum Schrein bringen. Alles war still. Nur die typischen nächtlichen Geräusche der umliegenden Vegetation und ihrer Bewohner war zu hören. Die Tür zu Corshoans Unterkunft war geschlossen. Sein Epone ruhte daneben und schenkte dem nächtlichen Besucher keine Beachtung.
Er öffnete den Schrein und blickte hinein. Er war leer bis auf den Tisch, auf dem das Krinoi’i in seiner Schatulle lag und die Plattform, auf der der Hüter stand, wenn er seine Visionen empfing. Licht strahlte auf, als er eintrat. Er schloss die Tür, damit es nicht nach draußen fiel und von jemandem bemerkt werden konnte. Er trat an den Tisch und hob vorsichtig den Deckel der Schatulle.
Da lag es, das Verderben
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