Sternenfaust - 196 - Die Feuer von Skia
und Ebenen zogen.
Ihr Flug geschah lautlos, so als existierte keine Luft rund um sie, doch auch dieser Eindruck musste trügen, denn die Wolken sprachen eine andere Sprache.
Der Flug des Eponen ging weiter, direkt hinein in eine der unzähligen Wolken und wieder hindurch. Wolkenfetzen stoben an ihr vorbei, aber sie wagte nicht, nach ihnen zu greifen, zu sehr nötigte ihr die ungewohnte Fortbewegungsart Respekt ab.
Der Epone hielt auf eine Stelle im blaugrünen Dickicht eines Waldes zu, die sich in nichts von den übrigen Baumbeständen auf einer Hochebene unterschied. Und doch musste es einen Unterschied geben, denn der Epone zielte mit einer unbeschreiblichen Genauigkeit genau auf einen bestimmten Punkt nahe der Dämmerungszone, ohne auch nur einmal eine Kurskorrektur vorzunehmen.
Der Wald schien ihr entgegenzupreschen, bis sie einzelne Baumreihen erkennen konnte, und schließlich explodierten die visuellen Eindrücke von raumschiffgroßen Bäumen in ihrem Sehzentrum.
*
Romana Hel’gara brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass sie »gelandet« waren, aber auch für Anjuli und ihren Heros-Eponen war die mehrere Lichtjahre weite Reise offenbar eine große Anstrengung gewesen, denn im ersten Augenblick geschah nichts.
Allmählich erkannte Romana Hel’gara, dass sie einen halben Meter über dem moosigen Waldboden schwebte. Sie streckte ihre unsichtbaren Beine aus, aber sie reichten offenbar nicht bis zum Boden.
Und dann verschwand übergangslos der Epone rund um sie. Oder besser, die schützende Hülle um sie verflüchtigte sich und setzte Romana Hel’gara der Umwelt dieses Planeten aus. Die letzten Zentimeter fiel sie auf den Boden, aber es war mehr wie ein Sprung in ein weiches Kissen.
Auch Anjuli wurde neben ihr sichtbar. Ein warmes Gefühl durchströmte Romana Hel’gara, obwohl sie wusste, dass es nicht die echte Anjuli war, nicht einmal eine echte Tibaa. Aber das war Romana Hel’gara ebenfalls nicht, genauso wenig wie sie ein Mensch war, obwohl ihr ihre menschliche Gestalt vertraut war, seit sie denken konnte.
Rea , dachte sie, ist die Luft atembar?
Keine toxischen Beimengungen feststellbar , kam die Antwort von der reiskorngroßen KI in ihrem Kopf.
Anjuli nickte ihr aufmunternd zu und griff nach ihrer Hand. Sie wusste offenbar ganz genau, in welche Richtung sie sich wenden mussten, denn sie ließ nicht die kleinste Abweichung von ihrem Weg zu, auch wenn Romana Hel’gara es probehalber einmal versuchte.
Hand in Hand mit Anjuli streifte sie durch den Wald. Der Wildwuchs auf dem schmalen Pfad zwischen den Bäumen verriet, dass er nicht oft begangen wurde. Nicht einmal an der Höhe der Gräser konnte Romana Hel’gara erkennen, wo der eigentliche Weg zwischen den Stämmen hindurchführte. Aber Anjuli ging zielstrebig an den Urwaldriesen vorbei.
Graue und olivgrüne Flechten hingen wie lange Bärte von den Ästen und bedeckten die Wetterseite der Stämme. Pilze mit aufgebogenen violetten Krempen umringten die Bäume, zumindest dort, wo die Grashalme den Waldboden freiließen.
Romana Hel’gara fiel auf, dass sie kaum Geräusche wahrnehmen konnte. Alles wirkte ruhig und friedlich, nicht so hektisch wie auf der STERNENFAUST oder so überfüllt wie auf Makato Zan. Nicht einmal die Laute von Tieren drangen an ihr Ohr, keine zwitschernden Vögel, keine grunzenden Wildschweine – nichts. Es gab nur das sanfte Wogen der Bäume, das leise Rascheln der Blätter im Wind.
So sehr sich Romana Hel’gara auch bemühte, sie konnte nirgends Blüten oder Insekten entdecken. Nicht einmal ihre Infrarotsicht half ihr, denn in diesem Frequenzbereich leuchtete der Wald in einem stumpfen einheitlichen Grau.
In einem Anflug von Melancholie sehnte sie sich nach der Gesellschaft der anderen Wanagi. Sie konnte sich selbst nicht erklären, weshalb sie noch immer diese Sehnsucht verspürte. Wambli Gleska und seinesgleichen hatten sie verstoßen. Sie hatten furchtbare Dinge getan. Und doch: Noch immer wäre sie lieber bei ihnen, als diese andauernde Isolation durchleiden zu müssen.
Anjuli blickte besorgt zu ihr herüber und drückte ihre Hand fester, aber Romana Hel’gara schüttelte nur leicht den Kopf.
Sie atmete die würzige Waldluft tief ein. Sie brauchte die anderen Wanagi nicht mehr – und auch nicht die Menschen, die ihr doch nur das Akoluthorum wieder entreißen wollten.
Romana Hel’gara griff mit der freien Hand nach dem Amulett. Wärme durchströmte sie, die sie an die Bewusstseinskammern von
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