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Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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wer zu ihm sprach. Stattdessen griff er nach dem Gegenstand an seiner Seite, schob ihn mit großer Anstrengung in sein Blickfeld und sah ihn an.
    Ein Spiegel. Ein Schminkspiegel.
    »Danke«, sagte Kieran atemlos. Der Spiegel und sein Arm daran erschienen ihm unvorstellbar schwer. »Wird mich die Nadel umbringen, wenn ich sie herausziehe?«
    »Wer weiß das schon?« Die Stimme gehörte nicht Seth, da war sich Kieran sicher, aber es lag keinerlei Anteilnahme darin. Also, so dachte er, gab es noch jemanden auf dem Schiff, der ihn ebenso sehr hasste, wie Seth es tat.
    Den Spiegel in der linken Hand, tastete er mit der rechten über seine Brust und hoch zu der zuckenden Nadel. Dann umfasste er sie, holte tief Luft und zog sie Stück für Stück heraus. Es fühlte sich an, als würde man einen Knochen aus dem Körper entfernen, so tief hatte sie in ihm gesteckt. Sobald sie draußen war, warf Kieran sie fort und schaute erneut in den Spiegel. Blut sickerte aus der Stichwunde, aber nicht sehr viel. Er ließ die Linke sinken und legte die Rechte über die Wunde, um die Blutung zu stoppen. Er war müde, so müde.
    Lange Zeit verharrte er in dieser Position und versuchte, zu Atem zu kommen. Erst dann öffnete er erneut die Augen. Da war ein Schatten an der Wand hinter der Spüle. Irgendjemand beobachtete ihn immer noch.
    »Wirst du mich umbringen?«, fragte er und staunte darüber, wie unbeteiligt seine Stimme klang.
    »Ich nicht«, kam die Antwort.
    »Kann ich dann etwas Wasser bekommen?«
    »Hol’s dir selbst.«
    »Ich kann nicht gehen.«
    Ein genervtes Seufzen, und dann hörte Kieran, wie etwas über den Boden schlitterte, bis es ihn am Kopf traf. Ein Grav-Beutel, gefüllt mit Wasser.
    Er öffnete ungeschickt die Klammer um den Trinkhalm und sog die lauwarme Flüssigkeit ein. Der Beutel war viel zu schnell leer, aber das Wasser hatte ihm genug Kraft gegeben, um die Augen ohne große Anstrengung offen zu halten, und schließlich drehte er den Kopf, um zu sehen, wer ihn beobachtete. Sealy Arndt saß da, balancierte ein langes Küchenmesser auf den knubbeligen Knien und starrte auf ihn herab.
    »Weißt du eigentlich, wie lächerlich das ist?«, fragte Kieran den Jungen, der jetzt den Blick abwandte und zu Boden schaute. »Ich habe gerade eure Eltern gerettet.«
    »Seth sagt etwas anderes«, antwortete Sealy, dann presste er seine dünnen Lippen erneut zu einem schmalen Strich zusammen. »Seth musste übernehmen, weil du in die Kuppel der Atmosphärenkontrolle geknallt bist.«
    »Nur eine Sekunde lang! Ich habe das Shuttle den ganzen Weg gesteuert. Frag Sarek.«
    »Seth hat ernsthafte Sorge, dass du dem ganzen Druck der neuen Situation nicht gewachsen bist. Stresstrauma. Realitätsverlust. Größenwahn. Da greift der Stellvertreterparagraph, sagt Seth. Der …« Sealy dachte einige Augenblicke lang angestrengt nach, als habe er ein besonders schwieriges Wort auswendig gelernt. »Der Stellvertreterparagraph zur Ersetzung der Führungsspitze bei akuter Gefährdung der Crew. Dass er dich einsperrt, ist auch zu deiner eigenen Sicherheit. Und zu unserer Sicherheit natürlich. Und dass du meinst, dass du alle gerettet hast, passt genau zu dem, was mit dir los ist. Seth hat mich schon gewarnt, dass du das vermutlich sagen wirst.« Er lachte.
    Mit wachsender Angst wurde Kieran klar, dass er sich im Krieg befand. Schon seit langer Zeit, ohne dass es ihm klargeworden war.
    Und er verlor.
    Auch wenn Sealy und sicher auch ein paar andere der älteren Jungen die Sache mit dem Größenwahn nicht wirklich glaubten, führte doch kein Weg an den Fakten vorbei: Er kam hier vielleicht nicht mehr raus.
    Wenn er nur eine Minute mit seinem Vater reden könnte, um ihn zu fragen, was er tun sollte. Kieran dachte daran, wie die haselnussbraunen Augen seines Vaters mitten in einer Unterhaltung oder während des Abendessens glasig wurden. Er war niemals wirklich bei seinem Sohn im Zimmer gewesen, sondern immer irgendwo anders, in Gedanken versunken. Manchmal war es Kieran gelungen, diese Konzentration zu durchbrechen, und dann hatte er für kurze Zeit Pauls volle Aufmerksamkeit erlangt. Kieran hatte dann ein Problem erklärt, das ihn beschäftigte – etwa Ärger mit einem Freund oder einem Lehrer, der ihn unfair behandelt hatte. Die Erklärung hatte ihm immer Mut gegeben, denn er wusste, was sein Vater sagen würde:
Die Wahrheit ist mächtig, Kieran. Erzähl einfach die Wahrheit, und die Leute werden normalerweise deinen Standpunkt verstehen.
    Die

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