Sternenfeuer
von ihm. Er hat uns so viele richtige Informationen gegeben, dass wir gar nicht auf die Idee gekommen sind, uns zu fragen, ob er uns vielleicht etwas verheimlichte.«
»Aber die Zukunft, Mark. Michail Vasloff hat recht. Wir werden uns in unserem einzigen kleinen System verbergen müssen und in der ständigen Angst leben, dass irgendein broanischer Horchposten vielleicht eine jahrhundertealte Quizshow auffängt.«
»Michail hat überhaupt nicht recht«, sagte er. »Ich will einfach nicht glauben, dass die menschliche Rasse sich nur wegen der Rabauken von nebenan in ihr kollektives Hemd macht.«
»Aber was können wir sonst noch tun?«, fragte sie schluchzend. »Wenn wir unseren Schiffen erlauben, das Sonnensystem zu verlassen, wird früher oder später eins davon über die Souveränität stolpern. Noch schlimmer, ein paar Leute werden sich einreden, sie könnten Geschäfte mit den Broa machen, und dann nach ihnen suchen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so blöd wäre.«
»Glaub es nur. Wenn es um Käuflichkeit, Korruption und ausgemachte Dummheit geht, ist die menschliche Rasse unschlagbar.«
»Ich weiß nicht.«
»Was weißt du nicht?«, fragte Lisa und schmiegte sich noch enger an ihn.
»Ich weiß nicht, ob wir in der Galaxis wirklich den ersten Platz in Sachen Käuflichkeit, Korruption und Dummheit belegen.«
»Hä?«
»Du hast Sar-Say heute Morgen gehört. Die Broa haben so heftige interne Auseinandersetzungen, dass sie ihren Rivalen sogar ein Schiff auf den Hals schicken, um sie zu töten. Das war ein Glückstreffer, der die Ruptured Whale ins Neu-Eden-System beförderte.«
»Hraal.«
»Was?«
»Der Name des Schiffs war damals Hraal.«
»Wie auch immer es hieß. Der Tag, an dem die zwei Schiffe aus diesem Wurmloch schlüpften und im Neu-Eden-System erschienen, war der glücklichste Tag für die menschliche Rasse, seit der Asteroid die Dinosaurier tötete.« Er verspürte einen Gewissensbiss, bevor der Klang der Worte noch verhallt war. Es hatte nämlich mindestens einen Menschen gegeben, für den dieser Tag alles andere als glücklich gewesen war. Er erinnerte sich an ihr lächelndes, von einem wilden Schopf kupferroten Haars eingerahmtes Gesicht. Auch nach zwei Jahren schmerzte der Gedanke an die arme, tote Jani ihn noch.
»Glücklich? Wie kommst du denn darauf?«
»Weil wir die Bedrohung nun kennen und Zeit haben, um darauf zu reagieren. Stell dir nur vor, was passiert wäre, wenn wir nichtsahnend über ein System der Souveränität gestolpert wären. Die Faszination, andere intelligente Wesen im Weltall zu finden, hätte uns überwältigt, und wir hätten wie verspielte junge Hunde mit allen Freundschaft schließen wollen. Und die Erde wäre sich der Gefahr erst dann bewusst geworden, wenn hundert Wurmlöcher sich im Sonnensystem aufgetan und ganze Flotten broanischer Rächer ausgespuckt hätten.«
Lisa kuschelte sich an ihn und küsste ihn zart auf die Lippen.
Er schaute sie im blauen Zwielicht an. Ihre Augen trafen sich mit seinen. Er spann den Gedanken weiter. »Auf jeden Fall haben wir Zeit, um etwas gegen die Bedrohung zu unternehmen. Vielleicht hat Michail Vasloff den richtigen Ansatz. Vielleicht verstecken wir uns und beten, dass sie uns nicht finden. Offen gesagt, dieser Gedanke gefällt mir auch nicht, aber es wäre möglich, dass die Behörden sich genau dafür entscheiden, wenn wir nach Hause kommen. Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen. Es ist nicht unser Stil. Aber vielleicht geben wir in diesem besonderen Fall doch der Diskretion den Vorzug vor der Tapferkeit.«
Sie küsste ihn wieder und gab ihm diesmal deutlich zu verstehen, dass sie der Unterhaltung über die Broa müde war. »Ich liebe dich. Egal, wie düster die Zukunft auch erscheint, du machst mir immer wieder Mut.«
»Ich wollte dich nicht aufmuntern. Ich wollte dir nur erklären ...« Seine Worte wurden durch ihre Küsse erstickt. Er gab sich ihrer Umarmung hin, und bald hatte ihr Schlafnetz die Anmutung einer Raupe, der ein Schmetterling zu entschlüpfen versuchte. Ihr Liebesspiel war schnell und intensiv. Danach hielt er Lisa, bis ihr heftiges Keuchen wieder gleichmäßigen Atemzügen gewichen war.
Er schloss die Augen, doch er fand nicht wieder in den Schlaf. Zu viel war heute geschehen, und das Bewusstsein hielt die Erinnerung daran fest. Er verspürte auch wieder dieses nagende Gefühl, das ihn in der Messe überkommen hatte, als Sar-Say gegangen war. Er hatte etwas Wichtiges übersehen.
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