Sternenfeuer
ihnen dräute, während Mark den Blick über den Kai schweifen ließ. Ein dunkelhäutiger Mann in einem beigefarbenen Hemd und Shorts eilte ihnen entgegen. Das Abzeichen auf der linken Brust wies ihn als den örtlichen Konstabler aus.
»Hallo«, sagte er in Lisas Muttersprache, jedoch mit einem mediterranen Akzent unterlegt. »Wer sind Sie beide?«
Mark stellte sich und Lisa dem Polizisten vor, der sich seinerseits als Maurice Farner-Smythe vorstellte. Trotz seines verbindlichen Auftretens musterte er sie mit einem kritischen Blick.
»Was führt Sie hierher?«, fragte der Polizist.
»Wir wollten einen lagesausflug nach Gibraltar machen«, erwiderte Lisa.
»Haben Sie auch eine Erlaubnis vom Denkmalschutz-Ministerium?«
»Ich wusste nicht, dass wir eine brauchen«, sagte sie mit plötzlicher Enttäuschung in der Stimme.
»Touristen!«, sagte Farner-Smythe mit einem Lachen. »Sie sind doch alle gleich. Lesen nie die Bestimmungen und Verordnungen. Und da Ihr Schiff nun verschwunden ist, kann ich Sie ja schlecht dorthin zurückschicken, wo Sie hergekommen sind, oder?«
»Wir würden auch gern eine Eintrittskarte kaufen, wenn Sie welche da haben, Konstabier«, sagte Mark und griff nach dem Beutel, wo er die Kreditkarten aufbewahrte.
»Keine Sorge, Mr Rykand. Wir sind hier auf Dem Felsen nicht so pingelig. Sie und die Dame scheinen für einen Ausflug entsprechend gerüstet zu sein. Dann will ich in diesem Fall einmal eine Ausnahme machen.« Der Ton des Polizisten sagte ihnen jedoch, dass Ausnahmen bei ihm eher die Regel waren.
»Gibt es irgendwelche Strahlenrisiken, über die wir Bescheid wissen sollten?«
»Wenn es die gäbe, Mr Rykand, glauben Sie, dass ich dann mit meiner Familie hier leben würde?«
»Wohl kaum.«
»Die Vorschriften besagen, dass Sie keine künstlichen oder natürlichen Objekte beschädigen dürfen. Also nicht Ihre Initialen in die Zinnen ritzen, keine Souvenirs mitnehmen und nicht aus Jux Steine vom Gipfel gegen die alten Mauern werfen. Ein paar der alten Tunnel sind durch die Druckwelle am östlichen Steilhang einsturzgefährdet. Sie sind deutlich gekennzeichnet, und Sie täten gut daran, sie nicht zu betreten. Sind Sie mit diesen Bedingungen einverstanden?«
»Wir sind einverstanden«, erwiderte Lisa.
»Halten Sie sich auch von den Ruinen der Stadt fern. Die Gebäude sind nicht sicher, und es gibt dort ein paar Einsiedler, die auf den Anblick einer jungen Frau in kurzen Hosen unberechenbar reagieren könnten. Und sonst seien Sie vorsichtig. Ich möchte Sie beide nicht mitten in der Nacht von irgendeinem Felsvorsprung retten müssen. Sind Sie immer noch einverstanden?«
Sie beide nickten.
»In diesem Fall wünsche ich Ihnen einen schönen Tag. Sie können dieser Straße dort nach links folgen. Sie fuhrt zu den oberen Stollen und der St. Georges Hall. Von dort können Sie den Pfad nach Rock Gun erklimmen, wenn Sie sportlichen Ehrgeiz haben. Die meisten Leute wollen auch St. Michaels Cave sehen, wenn sie schon einmal hier sind. Folgen Sie dem Gipfel-Pfad nach Süden. Er führt Sie direkt dorthin. Brechen Sie aber nur einen Stalagmiten ab, und ich werde Sie persönlich am nächsten Stumpf aufhängen. Ach, und willkommen auf Gibraltar!«
Mark hatte eigentlich geglaubt, er sei gut in Form. Als er und Lisa die Hallte des Wegs zu den Stollen in der Nordflanke von Gibraltar bewältigt hatten, war er sich dessen aber nicht mehr so sicher. Entweder hatten die Wochen in der Mikrogravitation an Bord der PoleStar doch einen stärkeren Muskelschwund zur Folge gehabt, oder aber er hatte sich selbst etwas vorgemacht. Als sie den Pfad erklommen, der von der alten Straße durch einen Zaun aus einem rostigen, zwischen Holzpfosten gespannten Kabel abgetrennt wurde, wanderten sie durch einen Mischwald aus Krüppelkiefern, stachligem Gras und kleinen Palmen. Der Felsen war auf den unteren zwei Dritteln der Westflanke mit grüner Vegetation überzogen. Dann stieg das Terrain jedoch so steil an, dass der Mutterboden keinen Malt mehr fand, und nur noch alabasterfarbene Kalksteinblöcke stürmten dem zackigen Gipfel entgegen.
Sie waren beide außer Atem, als sie den Eingang zu den Stollen erreichten. Ein paar Minuten lang ruhten sie sich aus und machten sich dann auf den Weg zur St. George Hall.
Trotz des morgendlichen Dunsts war es doch noch ein wolkenloser Tag geworden. Ein Wind aus Osten kühlte den Schweiß der Wanderer. Jenseits der Kanäle sah Mark Marokko und die ausgedehnte Metropole Tanger. Ein
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