Sternenflut
bewegungslos verharrte.
In ein paar Minuten würde ihm schwindlig werden. Und kurz darauf würde er das Bewußtsein verlieren. Das Kampfgetöse drang in einer Serie von dumpfen Detonationen durch die Pflanzendecke. Durch Löcher im Blätterdach schossen blitzende Strahlen in die Düsternis, einer davon direkt vor Orley. Das Licht tat ihm in den Augen weh, obgleich es ihn nur indirekt traf. Er sah, wie Blattwedel knapp oberhalb der Wasserlinie, die noch kürzlich den Aschenregen aus einem Vulkan überstanden hatten, sich in der Hitze kräuselten, braun wurden und abfielen.
Soviel zu meinen restlichen Vorräten, dachte er. Soviel zum Auftauchen, um Luft zu holen! Er umschlang die dicke Wurzel mit seinen Beinen und wand sich aus den Gurten seines Rucksacks. Er durchwühlte die Tasche und suchte etwas, mit dem sich improvisieren ließe. Im dunklen Schatten des Rankendaches war er dabei hauptsächlich auf seinen Tastsinn angewiesen. Der Trägheitsrecorder, den Gillian ihm gegeben hatte, ein Beutel mit Nahrungsriegeln, zwei Flaschen mit »frischem« Wasser, Zündplättchen für eine Nadelpistole, ein Werkzeugetui. Die Sauerstoffanzeige färbte sich bedrohlich orangegelb. Tom klemmte sich sein Bündel zwischen die Knie und zerrte das Etui mit dem Werkzeug heraus. Er griff nach einer kleinen Rolle mit Acht-Millimeter-Gummischlauch. Purpurne Flecken tanzten am Rande seines Gesichtsfeldes, als er mit seinem Taschenmesser ein Stück von dem dünnen Schlauch abschnitt. Er bohrte ein Ende davon durch das Speiseventil der Maske. Das Ventil blieb dicht, aber der Inhalt des Schlauches spritzte in seinen Mund und ließ ihn würgen und husten. Für Finesse blieb keine Zeit mehr. Wie ein Äffchen kletterte er an der Wurzel hinauf, bis er dicht unter einer Lücke zwischen den Schlingpflanzen angelangt war.
Er hatte den Schlauch am anderen Ende zusammengekniffen, aber als er ihn jetzt in die Höhe streckte, quoll doch bitteres, öliges Wasser heraus.
Das Filtersystem der Maske würde die Flüssigkeit reinigen, vorausgesetzt, es drang nicht zuviel davon ein. Tom streckte den Arm aus und schob den Schlauch durch die schmale Lücke aus dem Wasser, während die Schlacht am Himmel neue Lichtblitze in die Tiefe jagte. Er sog heftig an dem Gummischlauch und spuckte Schleim und metallisch schmeckende Brühe aus. Mit verzweifelter Hast bemühte er sich, den Schlauch freizubekommen.
Wieder blitzte einer dieser gleißenden Strahlen herunter und versengte ihm die Finger noch unterhalb des Wasserspiegels. Er kämpfte einen instinktiven Drang, zu schreien oder vor der Hitze zurückzuweichen, nieder. Dann fühlte er, wie ihn das Bewußtsein verließ und mit ihm auch die Willenskraft, mit der er die Hand in diese brennende Gluthitze hinaufstreckte. Noch einmal sog er aus Leibeskräften – und wurde durch einen dünnen Strom feuchter Luft belohnt. Hastig saugte er weiter. Die heiße, dampfige Luft schmeckte nach Rauch, aber sie war nahrhaft. Er atmete in die Maske aus und vertraute darauf, daß sie den hart erkämpften Sauerstoff speichern werde. Der Schmerz in seiner Lunge ließ nach, und jetzt machte das Brennen an seiner Hand sich bemerkbar. Als er schon glaubte, nicht länger dort oben aushalten zu können, begann die Glut, die vom Himmel gekommen war, zu erkalten, und das Blitzen am Himmel verblaßte zu einem matten, flackernden Glühen. Wenige Meter weiter klaffte noch eine Lücke in dem Rankenteppich. Dort würde es ihm vielleicht gelingen, den Schlauch zwischen zwei Wurzeln zu klemmen, ohne sich aus seiner Deckung zu begeben. Er nahm noch zwei, drei Atemzüge, und dann kniff er das Schlauchende zusammen. Aber bevor er weitere Vorbereitungen treffen konnte, erfüllte plötzlich ein scharfes, blaues Licht das ganze Wasser, heller als je zuvor, und blendende Schatten legten sich über alles. Eine ungeheure Detonation wühlte das Meer auf, und die Wogen warfen ihn umher wie eine leblose Puppe.
Etwas Gewaltiges hatte den Ozean getroffen und ihn in Wallung gebracht. Die Wurzel, an der er sich festhielt, löste sich aus dem Boden, und ein Strudel wirbelnder Ranken riß ihn fort.
Sein Bündel wurde davongeschwemmt. Er griff danach und bekam noch das Ende eines Traggurtes zu fassen, aber da traf ihn etwas am Hinterkopf, und alles begann sich zu drehen. Sein Gepäck verschwand in den tosenden, flackernden Schatten. Tom rollte sich zu einer Kugel zusammen, und mit den Unterarmen schützte er den Rand seiner Maske vor den wild auf ihn einpeitschenden
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