Sternenfohlen 08 - Sturmwinds Geheimnis
Einerseits war sie erleichtert, dass sie nicht schwimmen musste, andererseits schämte sie sich, dass sie ihre beste Freundin angelogen hatte.
Wolke trieb sich bis zum Sonnenuntergang am Waldrand herum. Sie beobachtete, wie die Zweitklässler vom See zurückkehrten und schloss sich ihnen unauffällig an. Die anderen bemerkten sie gar nicht, weil sie so aufgeregt über die zerbrochene Statue und den verletzten Schwan redeten.
„Ganz bestimmt hat ein und dasselbe Einhorn beide Taten begangen“, verkündete Mondstrahl und schüttelte sich. Stella sprang wiehernd zur Seite, als er sie nass spritzte.
„Ich bin mir da nicht so sicher“, meinte Saphira nachdenklich. „Vielleicht war das mit der Statue ja ein Unfall. Aber einem Schwan kann man nur mit Absicht die goldenen Federn ausreißen.“
Wolke entdeckte ein dreifarbiges Horn, das im Abendlicht funkelte. Ihr Herz machte einen Satz. Es war das Trihorn.
„Damaris hat mir erzählt, dass einem der goldenen Schwäne Leid zugefügt wurde“, erklärte das Trihorn, als alle ruhig geworden waren. „Einem Schwan Federn auszureißen ist grausam und gemein. Wenn ich die Schuldigen gefasst habe, müssen sie mit ernsthaften Problemen rechnen. Und wenn sie sich bis morgen Abend nicht freiwillig gestellt haben, müssen wir diesen Ausflug abbrechen und vorzeitig zur Schule zurückkehren. Mehr habe ich im Moment nicht zu sagen.“
Ein enttäuschtes Raunen ging durch dieReihen der Einhornschüler. Links neben Wolke stand Donna, die Erstklässlerin, der sie zusammen mit Mondstrahl beim Hinflug geholfen hatte. Sie weinte und Tränen kullerten über ihr Gesicht.
Wolke sah sich nach Sturmwind um. Sie konnte ihn nirgendwo entdecken. Seit sie und Mondstrahl ihn in der Früh am anderen Ende des Sees verloren hatten, hatte er sich ausgesprochen seltsam benommen. Was war nur los mit ihm?
Wolke folgte den anderen nachdenklich in den Schwanenstall. Es war Zeit zum Abendessen und dann zum ins Bett gehen. Sie blieb an der Stalltür stehen und ließ die anderen vorgehen. Dann drehte sie sich um und kehrte an den Strand zurück. Sie wollte nach Sturmwind suchen.
Im Licht der untergehenden Sonne leuchtete der See pinkfarben, als Wolke denStrand entlang trabte. Dabei suchte sie mit den Augen das Ufer und das Wäldchen dahinter ab. Komisch, es sah Sturmwind gar nicht ähnlich, dass er etwas vor ihnen verheimlichte. Sie hoffte sehr, dass er nicht irgendwelche Probleme hatte. Endlos lief sie dahin und sah sich besorgt nach ihm um.
Als Wolke schließlich aufgab, war das Lager nur noch ein kleiner Punkt in der Ferne. Die Sonne war am Horizont untergegangen. Wenn sie jetzt nicht gleich umkehrte, würde es zu dunkel sein, um noch zurückzufinden.
Da hörte Wolke plötzlich einen verzweifelten Schrei. In einiger Entfernung konnte sie etwas erkennen, das im See herumwirbelte. Ein Einhorn! Wolkes Herz klopfte, als sie die golden schimmernde Mähne des Einhorns erkannte. Es war Donna!
Das junge Einhorn versuchte, sich ausdem Wasser herauszukämpfen. Sie strampelte wie wild mit den Hufen und wieherte entsetzt. Dabei war sie so weit draußen, dass sie unmöglich die ganze Strecke geschwommen sein konnte. Wolke vermutete, dass sie beim Fliegen abgestürzt war.
Ohne nachzudenken galoppierte Wolke weiter. Sie wollte über den See fliegen, um Donna zu helfen. Doch als ihre Hufe das Wasser berührten, zuckte sie zurück. Sie konnte das nicht … Sie konnte das wirklich nicht!
Da hörte sie hinter sich Hufe über den Sand donnern.
„Wir müssen zu Donna!“, rief Sturmwind. „Schnell! Du kannst ihr helfen. Sie wird sich nicht mehr viel länger über Wasser halten können!“
Wolke starrte ihn erschrocken an. Dann sah sie zu dem verzweifelten Einhorn hinaus.Ihr Magen verkrampfte sich. „Ich …“, stammelte sie. „Sturmwind, ich habe Angst.“
Sturmwind sah sie überrascht an. „Du hast doch nie Angst, Wolke!“
Wolke schnaubte furchtsam. „Ich hab solche Angst vor Wasser!“, gestand sie unter Tränen. „Ich bin als Fohlen in tiefes Wasser gefallen, und ich … ich kann da nicht rüber fliegen. Was ist, wenn ich hineinfalle und untergehe?“
Sturmwind stupste sie beschwichtigend an, während Wolke nach Luft schnappte. „Ich habe auch Angst“, gab er zu. „Ich würde zu gerne hinausfliegen und ihr helfen, aber ich bin so ungeschickt. Wahrscheinlich richte ich mehr Schaden an, als dass ich ihr eine Hilfe bin.“
Sie wandten sich um, als Donna wieder erschöpft aufschrie. „Hilfe!“,
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