Sternenfohlen 20- Ein Liebesbrief für Wolke
um. „Wolke? Was … Äh, was machst du denn hier?“
„Aber wir sind doch hier verabredet …“, erwiderte sie verwirrt.
„Wie kommst du denn darauf ?“
Umständlich holte Wolke die Liebesbriefe aus dem kleinen Beutel, den sie bei sich trug.
„Wo hast du die her?“, rief Tizian aufgebracht.
„Die … Die hast du mir doch geschickt. Was ist denn nur los?“ Wolkes Stimme zitterte. Hatte sich der ältere Schüler nur einen schlechten Scherz mit ihr erlaubt? Würden gleich seine Freunde aus dem Gebüsch hervorspringen und sie auslachen?
„Aber die habe ich doch Melodia in die Schultasche gezaubert.“ Auch Tizian schien verwirrt zu sein.
Wolke schnappte nach Luft. Die Büchertasche! Sie musste aus Versehen die falsche erwischt haben, nachdem Sturmwind am ersten Schultag alles durcheinandergebrachthatte. Warum hatte sie nur nicht nachgesehen, ob der richtige Glücksbringer daran war? Plötzlich war Wolke so wütend – auf Tizian, auf die doofe Melodia, die er anscheinend lieber mochte als sie, auf Sturmwind mit seiner Ungeschicklichkeit und vor allem auf sich selbst. Sie war so dumm gewesen, und nun hatte sie sich gründlich blamiert. Wolke spürte, dass sie die Tränen, die in ihren Augen aufstiegen, nicht mehr lange zurückhalten konnte. Abrupt drehte sie sich um und galoppierte davon.
„Wolke!“, rief Tizian ihr noch nach, aber sie sah sich nicht noch einmal um.
„Was ist denn nur passiert?“, japste Saphira, als Stella und sie Wolke am Strand endlich eingeholt hatten.
„Die Briefe waren gar nicht für mich“, schluchzte Wolke. „Die waren für Melodia!“
„Was? Wie kann das denn sein?“, wollte Stella wissen.
„Ja, wieso schickt jemand dir Liebesbriefe, die für Melodia bestimmt sind?“, fragte auch Saphira.
„Das ist alles Sturmwinds Schuld! Er hat doch am ersten Tag das ganze Gepäck durcheinandergebracht und da muss ich wohl Melodias Schultasche erwischt haben“, erklärte Wolke schniefend.
„Oh nein“, seufzte Stella. „Und du hast das gar nicht bemerkt?“
Wolke schüttelte den Kopf und biss sich auf die Unterlippe.
„Aber das hat Sturmwind doch nicht mit Absicht gemacht“, erklärte Saphira. „Du weißt doch, wie ungeschickt er manchmal ist. Ihm kannst du keinen Vorwurf machen.“
„Ich weiß, Saphira“, schluchzte Wolke. „Ich hätte den Fehler selbst bemerken müssen. Warum habe ich nicht auf den Glücksbringer geachtet? Und jetzt habe ich mich vor Tizian furchtbar blamiert. Hoffentlich erzählt er niemandem davon.“
„Aber nein …“, sagte Saphira sanft und schmiegte ihre Wange an Wolkes. Stella legte mitfühlend den Kopf auf den Rücken ihrer Freundin.
„Jetzt geh dir erst mal das Gesicht waschen“, schlug Stella vor, nachdem Wolke sich wieder beruhigt hatte und deutete mit dem Kopf auf den kleinen Wasserfall, der von den Klippen herabfiel. „Dein Fell ist ganz tränenverklebt.“
Wolke nickte. Sie wusste, dass ihr das kalte Wasser guttun würde.
„Bitte sagt Mondstrahl und Sturmwind nichts davon“, bat sie ihre Freundinnen, während sie sich das Fell von den letzten Sonnenstrahlen trocknen ließ.
„Ja, aber was sollen wir ihnen denn dann sagen? Sie werden doch beim Abendessen bestimmt fragen …“, meinte Saphira.
„Wenn Mondstrahl nicht noch sauer ist, weil wir nicht zum Anfeuern gekommen sind“, gab Wolke zurück.
„Ach, denen erzählen wir einfach, du fändest Tizian zwar sehr nett, aber mehr eben nicht, und hättest gehofft, dass jemand anderes die Briefe geschrieben hat“, schlug Stella vor.
„Und wenn Tizian seinen Freunden davon berichtet? Sturmwind und Mondstrahl wären bestimmt noch wütender auf uns, wenn sie mitbekämen, dass wir sie angelogen haben“, gab Wolke zu bedenken.
„Das stimmt“, meinte Saphira.
„Aber warum sollte Tizian das herumerzählen? Bestimmt ist ihm die Verwechslung auch total peinlich. Und dass er anonymeLiebesbriefe schreibt, hat er garantiert niemandem gesagt. Ihr wisst doch, wie komisch Jungs da sind …“, erwiderte Stella.
Wolke musste grinsen. „Da hast du auch wieder recht! Los, lasst uns hinauf zur Flugheide fliegen. Wenn wir uns beeilen, bekommen wir von dem Wettkampf noch was mit und können unser Haus anfeuern.“
Stella und Saphira nickten zustimmend. Sie waren froh, dass es Wolke schon wieder ein bisschen besser ging.
„Auf geht’s!“, rief Saphira, während sie im weichen, warmen Sand angaloppierten und in den Abendhimmel stoben.
„Hey, Sturmwind! Wie steht’s?“,
Weitere Kostenlose Bücher