Sternengötter
Loch auf seinem Rücken lebt. Wenn der Besucher reisen will, bittet er einfach das kleine Wesen, ihn dahin zu bringen, wo er hin will.«
Der Metallarbeiter, der sein halbes Gesicht bei einem Schmelzunfall verloren hatte und dies hinter einer behelfsmäßigen Maske versteckte, nickte ernst. »Es heißt, der Besucher könne zwar nicht jede Verletzung heilen, aber er hätte schon Wunder gewirkt, die die Fähigkeiten unserer größten Ärzte weit übersteigen.« Ein Paar linker Hände griff nach oben, und die Spitzen der vier Greiflappen strichen leicht über die geschwungene Maske. »Ich bin den ganzen Weg aus Pevvet gekommen, weil ich hoffe, dass er mein Gesicht in Ordnung bringen kann.«
»Ich wüsste nicht, was dagegen spräche.« Mit einem Keuchen verstärkte der erste Sprecher den Griff um seinen schweigenden Begleiter, damit dieser nicht umfiel. »Ich habe gehört, dass eines der Instrumente, die er benutzt, bewirkt, dass verlorene Knochen wieder wachsen. Genau das brauchen wir. Vielleicht kann er dein fehlendes Auge auch durch ein neues ersetzen.«
»Ich bin nicht gierig. Das Auge ist nicht so wichtig.« Der jüngere Mann schlurfte einige Schritte vor, als die sich langsam vorwärtsbewegende Schlange erneut einen kleinen Fortschritt machte. »Aber ich würde diese Gesichtsabdeckung gern loswerden. Damit sieht man mich nicht als passenden Kandidaten für eine Paarung an.«
Die ältere Frau bekundete ihr Mitgefühl. »Ich hoffe, der Besucher kann dir helfen. Meine Wünsche sind bescheiden.« Sie zeigte mit einem rechten Unterarm in Richtung der Scheune, die so nah und doch so unerreichbar war. »Das gesegnete Paar, das dem Besucher dient, sagt, dass die verlangte Spende ausreicht, um ihn sehen zu dürfen, aber ich gehe lieber kein Risiko ein. Ich bete schon, seitdem ich hierher aufgebrochen bin.« Sie schien sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung zu sein. »Der Beweis, dass es funktioniert, ist, dass ich hier bin, in der Nähe des Besuchers, während andere, die seine Hilfe brauchen könnten, in meinem Dorf geblieben sind und sich zanken.« Alle acht Greiflappen waren um den hohen Gehstock gewickelt, auf den sie sich stützte.
Der Metallarbeiter und der Mann, der seinen Vater begleitete, sahen einander an. »Vielleicht sollten wir auch zu dem Besucher beten«, meinte der Metallarbeiter dann. »Das könnte bewirken, dass sich diese Schlange schneller vorwärtsbewegt.«
Die kluge Älteste nahm ein Greiflappenpaar von ihrem Gehstock und machte eine bedeutungsvolle Geste. »Wichtig ist nicht, mit welcher Geschwindigkeit wir vorankommen, sondern was der Besucher entscheidet, wenn man endlich vor ihm steht und in sein glorreiches Antlitz blickt. Dann wird er erkennen, ob eure Gebete ehrlich waren oder nicht.«
Die beiden Männer fanden diese Logik durchaus einleuchtend. »Kannst du uns vielleicht Anweisungen oder einige Ratschläge geben?«, bat derjenige, der seinen Vater stützte, höflich.
»Aber gern. Je mehr der Besucher besänftigt ist, wenn wir vier vor ihm stehen, desto wahrscheinlicher ist es, dass er unsere Bitten erhört.«
Dieser Vorschlag verbreitete sich rasch in der ganzen Schlange und wurde von einer leisen Diskussion begleitet, bei der viele ihre Fühler umeinanderschlangen. Als er sich durch die komplette Schlange ausgebreitet hatte, bildete das leise Säuseln der sanft gesprochenen Gebete bereits einen mehrstimmigen Gegensatz zu dem leisen Geräusch, das die Hunderte von Fußlappen auf dem Boden erzeugten. Ebbanai und Storra bemerkten diese neue Entwicklung, unternahmen aber nichts, um sie zu unterbinden. Wenn die Bittsteller ihren Gast nun nicht nur als begnadet, sondern als göttlich ansahen, dann konnten sie ihren Verdienst nur weiter steigern. Wer würde die Zahlung eines Tributs an einen Gott verweigern?
Da sie Flinx inzwischen sehr gut kannten und wussten, dass er nicht nur ein gebildeter Fremder, sondern auch ein ernsthaftes Individuum war, begriffen sie allerdings auch sofort, dass er diese neue Entwicklung vermutlich nicht gutheißen würde, sobald er davon Wind bekäme.
In dem Bewusstsein, dass er ohnehin schon große Sorgen hatte und von verzweifelten Bittstellern bedrängt wurde, entschlossen sie sich, ihm lieber nichts davon zu erzählen.
9
»Er ist kein Gott.«
Der Adlige Ratgeber Treappyn saß im Bad neben einem von mehreren steinernen Ausgüssen in Form speiender Cykladia, der die warme, leicht säurehaltige Flüssigkeit aus ihrem graublauen Maul über ihn rinnen ließ.
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