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Sternenkinder

Sternenkinder

Titel: Sternenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
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ich könnte dir dieses Martyrium ersparen!«
    »Es wird nur eine Kopie sein«, sagte Luru. »Nicht du selbst. Was zählt schon eine Kopie?«
    Es reichte. Pirius wandte sich von Nilis ab. Luru Parz hatte Recht. Wenn er es tun musste…
    Er trat in den Türrahmen. Ein blau schillerndes Licht flammte auf und blendete ihn. Er ging weiter, hinein ins Licht.
     
    Er taumelte. Schwerkraft packte ihn, stärker als die verschwindend geringe Anziehungskraft des Eismondes, als hätte die Trägheitsabschirmung versagt. Der Boden unter seinen Füßen fühlte sich weich und staubig an, wie Asteroiden-Regolith.
    Das grelle blaue Licht verblasste. Er stand stocksteif da und blinzelte, bis er etwas erkennen konnte.
    Er stand im Sand, auf winzigen Körnchen erodierten Gesteins. Er spürte, wie die Schwerkraft seine Knochen belastete und an seinen inneren Organen zerrte.
    Er befand sich also im Konfigurationsraum. Er fühlte sich wie er selbst. Aber er war die in dieses seltsame Reich projizierte Kopie, während ein anderer Pirius, das Original, noch auf dem Eismond war.
    Er kämpfte mit seiner Angst. Callisto lag nur Sekunden in seiner Vergangenheit, und dennoch konnte er nie mehr dorthin zurück. Irgendwie hatte er nicht gedacht, dass sein spontaner Schritt ein solches Ende nehmen würde – oder er hatte diesen Gedanken verdrängt, womit Luru Parz sicherlich gerechnet hatte, als sie ihn dazu überredet hatte. Und er wollte nicht sterben.
    »Pech gehabt«, sagte er zu sich selbst.
    Er schaute sich um. Der Himmel über ihm war offen – kein Dach, keine Kuppel. Doch daran war er mittlerweile gewöhnt. Das Licht war hell, aber diffus und schattenlos, ohne eine einzelne Quelle, ohne eine Sonne.
    Ein Berg ragte über den Horizont auf, ein blasser Kegel, der in der Ferne verschwamm. Der Boden fiel sanft zum leise plätschernden Meer ab. Aber das Meer war schwarz, wie ein Kohlenwasserstoffozean, als wäre er auf dem Titan. Er schaute in die andere Richtung und sah verfilzte Vegetation. Er holte die Wörter aus seinem Gedächtnis hervor. Ozean. Land. Also war dies ein Strand, eine Schnittstelle zwischen dem Land und dem offenen Meer; er befand sich an einem Strand.
    Natürlich war nichts von alledem real. All diese Requisiten, der Strand, das Meer, waren eine Übersetzung einer tiefer greifenden Realität in Begriffe, die er erfassen konnte – Metaphern aus der Menschenwelt. Aber nicht aus seiner Welt. Diese Abstraktion war für ein anderes Bewusstsein gedacht, ein Bewusstsein, das sich auf der Erde entwickelt hatte. Für ein Marinegör wie ihn wäre dies auch dann ein seltsamer Ort gewesen, wenn er nicht auf einem solch seltsamen Weg hierher gekommen wäre.
    Aber er hatte einen Auftrag. Er war hier, um eine Waffe zu finden, mit der man ein supermassives schwarzes Loch im galaktischen Zentrum angreifen konnte. Darauf musste er sich konzentrieren. Und vielleicht fand er danach doch noch eine Möglichkeit, zu überleben.
    Er drehte sich um und stapfte den Strand hinauf, in Richtung der Vegetation. Der Sand gab bei jedem Schritt nach, und es war schwierig, darin zu gehen.
    Die Vegetationsmauer, die den Strand säumte, war dick und scheinbar undurchdringlich. Abgesehen von dem, was er in Nilis’ Garten gesehen hatte, wusste er nicht viel über Pflanzen. Aber dieses Gewirr war kein richtiger Wald; die Pflanzen, die hier standen, waren keine »Bäume«. Die stammähnlichen, dicht mit wächsernen, graugrünen Blättern bewachsenen Gebilde bestanden jeweils aus mehreren Dutzend seilähnlichen, ineinander verschlungenen Ranken.
    Als er den Blick senkte, sah er, dass die Ranken sich ins Erdreich am Fuß der Vegetation erstreckten. Sie gruben sich jedoch nicht wie Wurzeln in den Boden, sondern breiteten sich über die Oberfläche aus und verästelten sich weiter – bis sie in Strukturen im Sand übergingen und sich schließlich in einzelne Sandhäufchen auflösten. Es war eine Akkumulation von Struktur, dachte er, die aus dem Sand emporstieg und sich zu diesen scheinbar lebendigen Gebilden kombinierte.
    Luru Parz hatte ihm erklärt, dass dies alles nichts mit Biologie zu tun hatte, sondern irgendwie mit Kausalität, mit Ketten immer bedeutsamerer Folgen…
    Er würde nie zurückkehren.
    Mit einem Mal traf ihn diese Wahrheit wie ein Schlag und machte ihn blind für den Ort, an dem er sich befand. Er forschte nach einem Verlustgefühl, einem Gefühl der Verlassenheit, fand jedoch nur Taubheit. Er versuchte, an andere Zeiten und andere Orte zu denken:

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