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Sternenkinder

Sternenkinder

Titel: Sternenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
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darauf nehmen könnte, wie die Ketten der Quantenfunktionen zusammenbrachen, welche kosmische Geschichte aus den vielen möglichen ausgewählt wurde.
    »Und wenn ein Wesen solche Macht hat«, sagte Nilis, »kann es vielleicht beeinflusst werden. Und genau das hatten die ›Freunde‹ vor. Sie wollten der Letzten Beobachterin eine Botschaft schicken.«
    »Wie? Mit dem Jupiter?«
    »Singularitäten haben selbst eine Struktur, weißt du… Die Singularität im Herzen des schwarzen Jupiterlochs sollte geformt und mit Informationen beladen werden. Es sollte eine Bitte an die Letzte Beobachterin sein. Die ›Freunde‹ wollten, dass sie ihre Geschichte zugunsten der Menschheit auswählte – dass sie insbesondere eine kausale Linie heraussuchte, die die Qax-Besatzung nicht beinhaltete.«
    Pirius dachte darüber nach und lachte verwundert. »Das ist erstaunlich.«
    »Es ist eine schrecklich nihilistische Philosophie – findest du nicht? Genau wie ihre modernen intellektuellen Nachfahren scheinen die ›Freunde‹ tatsächlich geglaubt zu haben, dass sie, ihre Erinnerungen, ja ihr ganzes Leben ausgelöscht würden, wenn die Letzte Beobachterin ihre Wahl träfe und eine optimale Zeitlinie aus dem Quantengewirr heraussuchte. Die ›Freunde‹ wollten nicht nur vor den Qax fliehen, Ensign, sondern auch vor sich selbst.«
    Pirius war nicht überzeugt. Er dachte an Bleibende Hoffnung, damals im Kern. Wenn man mitten in einem ewigen Krieg steckte, hatte die Vorstellung von einem endzeitlichen Richter, der alle Schmerzen von der Welt tilgte, etwas Tröstliches.
    Aber er hatte sie für einen Mythos gehalten. Er hatte nicht gewusst, dass dieser verstiegene Unsinn über eine Reinigung am Ende des Universums wirklich auf physikalischen Grundlagen fußte. Es war ein gespenstischer Gedanke.
    »Natürlich war ihr Plan viel zu kompliziert und hat nicht funktioniert«, sagte Nilis. »Die ›Freunde‹ bekamen nicht einmal ihr schwarzes Loch ordentlich hin, und es gelang ihnen schon gar nicht, ihre Bitte ans Ende der Zeit zu schicken. Sie schafften es aber, den Jupiter zu zerstören.«
    Die Qax reagierten damals mit vernichtender Gewalt auf den Verrat der »Freunde«. Von diesem Moment an war es mit ihrer milden Herrschaft vorbei; menschliche kulturelle Artefakte sollten nicht länger dazu dienen können, eine Rebellion zu tarnen. Die Auslöschung begann: Die menschliche Geschichte sollte getilgt, das menschliche Bewusstsein gesäubert werden; sogar die Fossilien im Erdreich sollten pulverisiert werden. Die Qax wollten erreichen, dass die Menschen nie mehr eine Bedrohung für sie darstellen würden. Und es wäre ihnen auch beinahe gelungen.
    Die Schwarzloch-Technologie der »Freunde« wurde unterdrückt. Und als nach der Besatzung die Koalition an die Macht kam, wurden solche alten Schrecknisse erneut unterdrückt. Eine Hand voll Pharaonen erhielt das alte Wissen jedoch am Leben und versteckte es an einem Ort, an den nicht einmal der lange Arm der Historischen Wahrheitskommission hinreichte. Die Pharaonen hatten immer gewusst, dass es eines Tages wieder gebraucht werden würde.
    Nilis und Pirius schwiegen eine ganze Weile.
    »Ich habe einen neuen Auftrag für dich«, sagte Nilis dann zögernd. »Kann sein, dass du ihn heikel findest.«
    »Heikel?«
    »Ich möchte, dass du über Pirius Blau nachdenkst.«
    Pirius hatte seit Tagen nicht mehr an seinen Zeitzwilling gedacht. »Wozu?«
    Wie sich herausstellte, hatte Blau seine eigenen Abenteuer erlebt. Erstaunlicherweise war er mit einem Schiff tief in den Hohlraum vorgedrungen, um den Hauptradianten selbst zu erkunden.
    »Ich versuche, ein Bild von Chandra zu gewinnen – von seiner Natur und seiner Umgebung«, sagte Nilis ernst. »Ich habe das Material, das ich im Olympus-Archiv entdeckt habe, die Daten des Neutrino-Teleskops und nun auch noch Blaus unmittelbare Erlebnisse. Ich muss alles zusammenfügen – um ein theoretisches Modell für unser Operationsziel zu entwickeln. Ich war dort, weißt du«, sagte er mit einer Art bescheidenem Stolz. »Im Hohlraum. Pirius Blau hat einen Avatar von mir dabeigehabt. Ich bilde mir ein, dass ich meine Sache recht gut gemacht habe! Aber auch diese Erfahrung reicht noch nicht aus. Ich muss wissen, was Blau selbst wahrgenommen hat.«
    Pirius nickte langsam. »Warum reden Sie dann nicht mit ihm?«
    »Es geht um Nuancen.« Nilis streckte ihm seine großen Hände entgegen. »Ich bin nicht einmal sicher, dass ich dich verstehe, weißt du. Wir haben schon

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