Sternenkinder
gebildet. Einige der Kuppeln waren völlig zerbrochen.
Nur eines der Gebäude war ordnungsgemäß luftdicht. Als sie es durch eine provisorische Luftschleuse betraten, die man hastig in ein Mauerloch gesetzt hatte, fanden sie sich in einer geräumigen Höhle wieder. Roboter krochen über den Fußboden und die Decke und flickten schadhafte Stellen. Doch selbst die Roboter wirkten alt und abgenutzt, und die’ Ingenieure, die sie beaufsichtigten, sahen nicht viel besser aus. Schwerkraft gab es hier nicht – oder vielmehr nur die Mikroschwerkraft des Asteroiden, nicht mehr als eine federleichte Berührung –, und einige wenige schwebende Kugeln warfen ein dunstiges Licht in die glänzende, silbergraue Luft.
Pirius öffnete sein Helmvisier und atmete tief ein. Die Luft war abgestanden und enthielt so wenig Sauerstoff, dass seine Brust schmerzte. Außerdem stank es nach Öl, Metall und dem Brandgeruch eifrig oxidierenden Asteroidenstaubs. Als der Staub die Schleimhäute in seinen Nebenhöhlen reizte, musste er niesen.
»Lethe«, sagte er. »Ist es das?«
»Das Einzige, was funktioniert, sind die Trägheitsdeflektoren«, sagte Torec. Das musste stimmen, sonst hätte der ganze durch die komplizierte Geometrie der Bogen-Basis sausende Steinbrocken eine Gefahr dargestellt. Sie seufzte. »Ist denen nicht klar, dass wir die Galaxis zu retten versuchen? Wie sollen wir das fertig bringen, wenn nicht mal die Toiletten funktionieren?«
Aber gegen die seltsame Innenpolitik der Bogen-Basis, der Marine, der Koalition und der Menschheit im Allgemeinen war kein Kraut gewachsen. Also machten sie sich an die Arbeit.
Während der nächsten paar Tage schlugen sie sich mit uralten Luft- und Wasseraufbereitern, störrischen Nano-Nahrungssystemen und schwebenden Lichtkugeln herum, die nicht stillstehen wollten. Selbst die Maschinen mochten sie nicht, wie es schien: Sie wollten sich nicht reparieren lassen und entwickelten geradezu perverse Macken und Mängel. Auch ihr soziales Leben verbesserte sich nicht. Waren sie in der Kasernenkugel schon Außenseiter gewesen, so waren sie hier erst recht unerwünscht; die Ingenieure glaubten offenbar, Besseres zu tun zu haben, als an einem Klumpen Müll wie Stein 492 herumzuwerkeln.
Aber in anderer Hinsicht machte es Spaß, dachte Pirius. Sich in die Innereien einer kaputten Pumpe oder eines verstopften Luftfiltersystems zu versenken, war zwar schmutzige, harte Arbeit, aber es war eine begrenzte und verständliche Aufgabe, etwas, was man beenden konnte, im Gegensatz zu der diffusen Politisiererei auf der Erde.
Die Systeme begannen eins nach dem anderen wieder zu funktionieren. Als sie die Luftpumpen arbeiten hörten und das Vibrieren des durch die Rohre gepumpten Wassers spürten, erwachte der Ort für sie zum Leben. Und da sie so hart daran gearbeitet hatten, betrachteten Pirius und Torec ihn als ihr Domizil. Vor seiner Reise zur Erde war Pirius nirgends daheim gewesen, sondern nur in eine Kasernenkugel nach der anderen einquartiert worden. Nun kam ihm Stein 492 immer mehr wie ein Zuhause vor – obwohl Torec und er nur im Flüsterton über solche zutiefst undoktrinelle Gedanken zu sprechen wagten und sie gegenüber Captain Seath niemals auch nur erwähnt hätten.
Die Ensigns wurden zu regelmäßigen Besprechungen mit Nilis gerufen.
Diese fanden immer in der Unterkunft des Kommissars im Offiziersland statt. Obwohl er die Erfahrungen seines virtuellen Avatars assimiliert hatte, der mit Pirius Blau durch den Hohlraum geflogen war, schien ihm der erschreckende Himmel der Bogen-Basis ebenso viel Furcht einzuflößen wie bei seinem ersten Besuch, und er neigte dazu, sich in sein Quartier zu verkriechen. Aber er hatte sich diese gesichtslose kleine Kabine rasch angeeignet, indem er sein Sammelsurium von Data-Desks, Kleidungsstücken und anderem Krimskrams auf jeder freien Fläche ausgebreitet und die Luft mit Trauben von Virts angefüllt hatte. Torec meinte, er mache aus jedem Raum, in dem er sich aufhalte, ein Nest, so wie Ratten Nester bauten. Pirius dachte ein wenig sehnsüchtig darüber nach, was es bedeuten musste, ein echtes Zuhause zu haben und es zu vermissen, so wie Nilis das seine ganz offenkundig vermisste.
Torec beklagte sich über die Zustände auf Stein 492. Aber Nilis sagte, dagegen könne man im Augenblick nichts tun. Sie würden die von ihm anberaumte Besprechung mit Marshal Kimmer abwarten müssen, dem obersten Marineoffizier der Basis. Nach diesem »Showdown«, wie Nilis es
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