Sternenkinder
Kasernenkugel gebracht wurden.
Sie betraten den großen zentralen Raum mit den Betten und Waschräumen. In dieser Kasernenkugel waren sie noch nie gewesen. Natürlich stank sie wie alle Kasernen nach Schweiß und Urin, Nahrungs- und Desinfektionsmitteln, aber es war kein vertrauter Geruch. Und unter den vielen Gesichtern, die sie neugierig, gleichgültig oder feindselig musterten, war keines, das sie kannten.
Sie bekamen Kojen zugeteilt, die ein paar Blocks voneinander entfernt waren. Torec streichelte Pirius’ Rücken und begab sich zu ihrer eigenen Koje. Pirius packte seine wenigen persönlichen Habseligkeiten aus und legte seine protzige Galauniform ab. Danach fühlte er sich ein wenig besser.
Er tat das jedoch inmitten von lauter Gesichtern, die ihn anstarrten. Es war nicht nur die Neugier von Kadetten, die einen Fremden vor sich sahen. Sie glotzten ihn an, als hätte er zwei Köpfe. Sie sagten nichts zu ihm, und er hatte ihnen auch nichts zu sagen. Sie fertigten ihn kurz ab, als er sich etwas zu essen holen ging. Selbst als er sich im Dunkeln hinlegte, spürte er, wie die Fremden um ihn herum ihn beobachteten, ihn abschätzten – ihn ausschlossen.
Sie sahen so jung aus, dachte er. Ihre Gesichter waren leer, wie Desks ohne Daten. Sie waren wie Kinder. Und was sie mit ihm machten, war kindisch – die Fraktionen und Cliquen der Kaserne schlossen sich zusammen, um ein neues Opfer zu schikanieren. Es war genau so, wie Nilis es gesagt hatte: Sie mochten wie Erwachsene wirken, und sie würden für die Menschheit kämpfen und sterben müssen. Aber sie waren kaum den Kindesbeinen entwachsen, und hin und wieder merkte man ihnen das auch an.
Doch so kindisch es sein mochte, der Druck war enorm.
Er stieg aus dem Bett, ging zu Torecs Koje und kroch zu ihr hinein. Sie lagen aneinander geschmiegt da, sein Bauch an ihrem Rücken.
»Wir haben beschlossen, das bleiben zu lassen«, flüsterte sie. »Wir müssen uns einfügen.«
»Ich hab’s nicht mehr ausgehalten«, gab er zurück. »Wirf mich nicht raus.«
Nach einer Weile drehte sie sich um und küsste ihn auf die Stirn.
In vieler Hinsicht war sie die Stärkere. Aber er spürte, dass sie über seine Anwesenheit ebenso froh war wie er über ihre. Sie klammerten sich aneinander, selbst unschuldig wie Kinder, bis sie einschliefen.
Am nächsten Morgen führte Captain Seath sie zu einem Flitzer. Das kleine Schiff glitt aus dem Hafen und schlängelte sich vorsichtig durch den überfüllten Himmel.
»Gut geschlafen?«, fragte Seath kühl.
»Nein, Sir«, sagte Pirius ehrlich.
»Ich verstehe das nicht, Captain«, sagte Torec. »Warum hassen uns alle?«
»Ich glaube nicht, dass sie euch hassen.«
»Wir sind noch dieselben wie zuvor«, meinte Pirius.
Seath musterte ihn. »Nein«, sagte sie, »seid ihr nicht. Ihr habt außergewöhnliche Dinge getan. Ihr habt die Erde gesehen, Ensign. Selbst ich kann es mir nicht einmal annähernd vorstellen. Und ihr wart der Macht nahe, näher als jeder andere hier, näher als ich, sogar näher als die Kommandeure der Basis. Ihr habt euch verändert. Und das könnt ihr nicht rückgängig machen.«
»Auf der Erde ist kein Platz für uns«, sagte Pirius.
Seath lachte. »Hier auch nicht.«
»Wo dann?«, fragte Torec.
»Na, nirgends.« Sie zuckte die Achseln. »Es ist nicht eure Schuld. So ist das nun mal. Die einzigen Menschen, die euch verstehen, seid ihr selbst – und ihr werdet immer nur einander haben. Damit müsst ihr einfach leben.«
Während sie das sagte, merkte Pirius, dass Torec ein wenig von ihm abrückte. Er spürte, wie ihr alter Groll wieder aufkeimte: Nun waren sie den ganzen Weg zur Bogen-Basis zurückgekehrt, und sie konnte sich immer noch nicht von ihm lösen.
Nilis’ Lieblingsstaffel sollte auf einem der vielen herumsausenden Asteroiden der Bogen-Basis untergebracht werden. Stein 492, wie er genannt wurde, war ein Trümmerhaufen mit einem Durchmesser von mehreren Kilometern. Auf seiner übel zugerichteten Oberfläche befanden sich eine Ansammlung von Gebäuden aus aufgeschäumtem Asteroidengestein und ein paar umfangreiche Gruben, ehemalige Landeplätze und Trockendocks. Aber alles stand schon seit geraumer Zeit leer.
Sie mussten in ihren Hautanzügen aus dem Flitzer steigen.
Die Gebäude, aus denen man schon längst alles Nützliche entfernt hatte, waren so alt, dass ihre verbliebenen Mauern von Mikrometeoritenkratern zernarbt waren, und am Fuß der Wände hatte sich eine dünne, klebrige Staubschicht
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