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Sternenkinder

Sternenkinder

Titel: Sternenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wasser. Die Wände des Raumes waren durchsichtig, wie alle Wände in der gesamten Basis, aber Nilis und er waren so tief in diesem Labyrinth aus Büros und Tagungsräumen begraben, dass man den Himmel dahinter kaum sehen konnte.
    »Und ich muss gestehen, das ist mir auch lieber so«, sagte Nilis mit einem kläglichen Lächeln. Er setzte sich auf den einzigen Stuhl im Raum, und seine Robe rutschte unpassenderweise hoch und gab den Blick auf dürre Schienbeine frei. »Du musst wissen, dass ich von der Erde komme, wo ich so lebe wie die Menschen primitiver Zeiten – ich meine, auf einer scheinbar flachen Welt, unter einer Himmelskuppel mit ein paar fernen, vereinzelten Sternen. Hier fliegen die Welten wie wahnsinnige Vögel herum, und selbst die Sterne sind grell leuchtende Kugeln. Natürlich können hier nur die massivsten Sterne entstehen; die Bedingungen sind zu turbulent für etwas so Mickriges wie die Sonne… Es ist ziemlich verwirrend!«
    Pirius hatte noch nie darüber nachgedacht. »Ich bin hier aufgewachsen. Sir.«
    »Nenn mich Nilis.«
    Aber Pirius hatte nicht die Absicht, einen Kommissar, selbst einen sanften und exzentrischen wie diesen, mit etwas anderem als »Sir« anzureden. Er sagte: »Für mich hat der Bogen-Cluster nichts Seltsames an sich.«
    »Ja, das glaube ich gern.« Nilis stand auf, den Wasserbecher in seiner leberfleckigen Hand, und spähte durch Schichten von Büros zum rotierenden Himmel hinaus. »Ein selbstgravitierendes System – eine klassische Demonstration des N-Körperproblems der Himmelsmechanik. Und chaotisch, instabil gegenüber kleinen Perturbationen, selbst im Prinzip nie vorhersagbar. Dieses unaufhörliche Lichtgewitter war zweifellos als Konditionierung gedacht, um euch Proto-Piloten daran zu gewöhnen, in veränderlichen dreidimensionalen Geometrien zu denken und uralte Ängste vor dem Fallen loszuwerden – einem Instinkt, der nützlich war, als wir von den Bäumen herabgestiegen sind, jedoch für einen Sternenschiffpiloten nicht mehr so wertvoll ist, hm? Aber für mich fühlt es sich so an, als wäre ich in einem riesigen himmlischen Uhrwerk gefangen.«
    Pirius war irritiert und beunruhigt. »Verzeihen Sie, Sir«, platzte er heraus, »aber ich verstehe nicht, weshalb ich hier bin. Oder weshalb Sie hier sind.«
    Nilis nickte. »Natürlich. Kosmische Spezialeffekte verblassen neben unseren menschlichen Dilemmata zur Bedeutungslosigkeit, nicht wahr?«
    »Weswegen soll ich bestraft werden? Ich habe nichts getan. Er war es – er hat das alles getan.«
    Nilis musterte ihn. »Ist das in deiner Ausbildung noch nicht behandelt worden? Ich vergesse immer wieder, wie jung ihr alle seid. Was Blau getan hat, ist geschehen, Pirius; es ist in seiner Zeitlinie eingeschlossen – seiner persönlichen Vergangenheit. Ja, er muss bestraft werden, um seine Charakterfehler nach Möglichkeit auszumerzen. Du hingegen musst bestraft werden, um deine noch ungeformte Zeitlinie nach Möglichkeit zu ändern. Seine Vergangenheit können wir nicht verändern, aber vielleicht deine Zukunft. Verstehst du? Also musst du für ein Verbrechen büßen, das du noch gar nicht begangen hast.
    Das ist zumindest die Logik des Systems. Ist es richtig oder falsch? Wer weiß das schon? Der Umgang mit Zeitreiseparadoxa war in der menschlichen Evolution nicht vorgesehen; all das überansprucht unser ethisches Gefüge ein bisschen. Und, weißt du, ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie es für dich sein muss, Pirius Rot. Was ist das für ein Gefühl, vor einer Version deiner selbst zu stehen, die aus der Zukunft geholt und in deinem Leben abgeladen worden ist?«
    »Dafür werden wir ausgebildet, Sir. Es ist kein Problem.«
    Nilis seufzte. Mit einem Hauch von Stahl in der Stimme sagte er: »Hör zu, Pirius, ich bin hier, um dir zu helfen, aber das wird mir nicht gelingen, wenn du nicht ehrlich zu mir bist. Versuch es noch einmal.«
    »Es ist… irritierend«, sagte Pirius widerstrebend. »Ich bin wütend.«
    Nilis nickte. »Schon besser. Gut. Das kann ich verstehen. Immerhin hat dieser Fremde auf einmal deine Zukunft gekapert, nicht wahr? Dir sind die Wahlmöglichkeiten genommen worden. Und was empfindest du ihm gegenüber - Pirius Blau, deinem Double –, ungeachtet dessen, was er getan hat?«
    »Schwierig«, sagte Pirius. »Ich mag ihn nicht. Und ich glaube, er mag mich auch nicht. Trotzdem fühle ich mich zu ihm hingezogen.«
    »Ja, ja. Ihr seid wie Geschwister, wie Brüder; das ist die treffendste Analogie, glaube

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