Sternenkinder
ihr Trägheitsfeldgewicht von einem gestiefelten Bein aufs andere verlagerte, oder er sah, wie ihr Körper sich kaum merklich entspannte, während sie ihre Blase oder ihren Darm ins System ihres Anzugs entleerte, wobei sie die ganze Zeit strammstand. Wehe, man ließ sich auch nur das leiseste körperliche Unwohlsein anmerken – ein Ohnmachtsanfall wurde mit zehntägigen Übungsmärschen belohnt.
Die Vermittlung der theoretischen Grundlagen der Infanteriestrategie beanspruchte jedoch nicht allzu viel Zeit. Pirius gelangte zu dem Schluss, dass die Tätigkeit eines Infanteristen, grob gesagt, im Graben bestand.
Tag für Tag schwärmten Soldaten zu tausenden aus der riesigen unterirdischen Kaserne und gruben sich unter den barschen Befehlen ihrer Offiziere in die Oberfläche des Steinbrockens. Ein großer Teil des Asteroiden war bereits von Netzen aus Gräben, Schützenlöchern und Unterständen durchzogen, die frühere Generationen hinterlassen hatten, aber sie wurden regelmäßig umgepflügt, sodass man immer jungfräuliche Gebiete zu bearbeiten hatte.
Und bei diesen Schanzarbeiten lernten Pirius und Cohl, wie man grub.
Das Graben war tatsächlich eine Kunst, jedenfalls wenn man in einem Hautanzug auf der Oberfläche eines Asteroiden stand. Dort herrschte natürlich nur eine Mikrogravitation, und drum herum war das Hochvakuum. Der Trick bestand darin, sich mithilfe des Trägheitsgürtels am Boden zu verankern, während man mit dem Spaten und anderen Grabwerkzeugen im Dreck buddelte.
Die obersten paar Meter des Asteroidenbodens bestanden im Allgemeinen aus unverdichtetem Material; die meisten Asteroiden waren von Staub bedeckt, dem Produkt äonenlanger Kollisionen und Mikrometeoriten-Bombardements. Unter der Staubschicht stieß man schließlich auf Konglomerat, einen Schotter aus Felsbrocken und kleinen Steinen, und dabei blieb es dann meistens auch: Nur die größten Asteroiden hatten feste Kerne. Das Zeug ließ sich ganz leicht beiseite schippen; es gab keinen Luftwiderstand, und die Wolke der Staubkörner beschrieb eine hübsche Parabel. Die Schwerkraft war jedoch so gering, dass es viele Minuten dauern konnte, bis die Körner wieder herunterfielen – und es erforderte Geschick, beim Schippen so zu zielen, dass die Schaufelladung nicht auf den Nebenmann oder, was noch peinlicher war, auf einen selbst herabregnete.
Im Innern der Front waren die Bedingungen noch schlimmer. Dort würde man beim Ausheben seines Grabens in Gammastrahlen und andere harte Strahlung gebadet sein, die von den dicht gedrängten exotischen Objekten im galaktischen Zentrum ausging. Deshalb schickten die Ausbilder Drohnen los, die die schwer schuftenden Kadetten mit Gammastrahlen überschütteten, und sie mussten steifere, abgeschirmte Hautanzüge tragen, die das Graben weiter erschwerten. Noch schlimmer war, dass die Strahlung den Staub ionisierte, sodass die Körner aneinander klebten und an den Hautanzügen haften blieben; so verbrachte man einen guten Teil seiner Zeit damit, sich das Zeug vom Anzug zu kratzen. Pirius und Cohl brauchten eine ganze Weile, bis sie den Dreh heraushatten.
Das Ausheben eines Schützengrabens war jedoch ein eigenartig schöner Anblick. Man sah die ordentlichen Reihen der Staubfontänen, die die Kadetten bei ihrer energischen, begeisterten Arbeit aufwarfen, und hörte auf den offenen Kanälen ihren gemeinsamen Gesang. Es war ein seltsames Nebeneinander: dieser höchst fremdartige Ort, so weit von der Erde entfernt, und eine der primitivsten menschlichen Techniken.
Während seine Muskeln immer kräftiger wurden, begann Pirius beinahe, die unaufhörliche Schwerarbeit zu genießen.
Selbst die Sinnlosigkeit, die darin lag, dass sie Tag für Tag in dasselbe Kraterbett geschickt wurden, wo die Früchte der Arbeit des Vortags schon wieder umgepflügt worden waren, sodass sie neue Gräben anlegen konnten, schreckte ihn nicht. Wenn er hart genug arbeitete, brauchte er überhaupt nicht nachzudenken und konnte all die Komplikationen, die es seit dem Magnetar gegeben hatte, aus seinem Bewusstsein verbannen.
Das so genannte Wächterregiment war auf diesem Steinbrocken stark vertreten.
Pirius’ oberste Ausbildungsoffizierin, Marta, gehörte dazu. Selbst unerfahrene Auszubildende der Wächter pflegten so präzise koordiniert wie die Komponenten einer Maschine über die Oberfläche des Steinbrockens zu strömen. Pirius fand es verblüffend, wie es ihnen immer zu gelingen schien, ihre Ausrüstung trotz des klebrigen
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