Sternenkinder
Staubs blitzblank zu halten. Die Wächter waren eine Elite, und sie wussten es, und ihre Überlegenheit begann mit ihrer obsessiven Eleganz.
Pirius und Cohl gehörten jedoch nicht zu den Wächtern. Sie waren dem Versorgungskorps zugeteilt worden, dem Bodensatz des Heeres.
Die Aufgabe des Versorgungskorps bestand in der Unterstützung der Fronttruppen. Bevor sie hierher gekommen waren, hatte Pirius die vage Vorstellung gehabt, in diesem Truppenteil wäre man vielleicht weniger gefährdet. Wie sich jedoch herausstellte, mussten die Soldaten des Versorgungskorps bei einem Kampfeinsatz den Boden für den Vormarsch bereiten – und das, so lernte Pirius, konnte heißen, dass sie vor der vordersten Linie der Kampftruppen vorrücken mussten. Nach Beginn der Kampfhandlungen oblag es ihnen, bei der Anlage und dem Ausbau von Feldschanzen zu helfen, Nachschub zu transportieren und Verbindungen aufrechtzuerhalten. Manchmal, wenn das elektromagnetische Umfeld besonders ungünstig war, mussten sie zwischen der Frontlinie und der Nachhut hin und her laufen und Botschaften eigenhändig überbringen.
Und wenn der Fleischwolf des Gefechts mit seinem schrecklichen Mahlen begann, verwandelte sich das Versorgungskorps in Feldsanitäter und Bahrenträger. Die Hautanzüge der Infanteristen waren dazu gedacht, sie so lange wie möglich am Leben zu erhalten, aber sie waren in erster Linie Kampfrüstungen, und es überstieg ihre Fähigkeiten, traumatische Verletzungen zu stabilisieren. Pirius erlernte die schlichten Behandlungsmöglichkeiten bei Patienten in Hautanzügen, zum Beispiel das Abbinden einer verletzten Gliedmaße. Und er lernte, wie man in starren Anzügen eingeschlossene Körper auf rahmenlose Tragbahren verfrachtete und mit Verwundeten durch die Gräben zurück zum Verbandsplatz kroch.
Als Angehörige des Versorgungskorps würden sie also dem Feuer ebenso sehr ausgesetzt sein wie die Kämpfer der Frontlinie, wenn nicht noch mehr. Allerdings trug ihnen auch das keinerlei Respekt seitens der Frontkämpfer ein, die offenbar der festen Überzeugung waren, die Mitglieder des Versorgungskorps hätten es leicht, bekämen immer die besten Rationen, genössen unbegrenzte Vorteile und brauchten nicht am Kampf selbst teilzunehmen.
Im Versorgungskorps gab es noch weitere exilierte Marineangehörige wie Pirius sowie andere unerwünschte Elemente. Zum größten Teil bestand es jedoch aus Infanteriesoldaten, die es geschafft hatten, einen oder zwei Kampfeinsätze zu überleben, und zu alt geworden oder vielleicht zu schwer verletzt oder geschockt waren, um weiter zu kämpfen. Diese Ausgemusterten und Verstoßenen fühlten sich missverstanden und ausgenutzt. Bei der Arbeit sangen sie ihr eigenes Klagelied: Wir sind das Versorgungskorps / Wir schuften Tag und Nacht / Doch ganz egal, was man auch macht / Es steht noch mehr bevor… Nur wenige dieser traurigen Veteranen waren älter als zwanzig.
Schließlich wurden sie mit raffinierteren Bodenoperationen vertraut gemacht.
Man brachte den Kadetten bei, sich im offenen Gelände zu bewegen. Sie wurden in Züge von jeweils zehn Mann eingeteilt, die gemeinsame Aktionen übten. Dabei ging es im Wesentlichen darum, durch Grabenlinien gegen eine feindliche Stellung vorzurücken. Man kletterte aus einem Graben, lief oder robbte über den Asteroidenboden und warf sich dann in den nächsten. Dabei simulierten die Ausbilder mit Roboterdrohnen feindliches Feuer – die Kadetten wurden durch Laserspots »getötet«, die ihre Anzüge erstarren ließen. Die Trägheitsgürtel waren von unschätzbarem Wert; ohne sie konnte man schon durch die leiseste falsche Bewegung nach oben schweben. Aber natürlich übte man auch das weitere Vorrücken in dem Fall, dass der Gürtel versagte. Den Kadetten schien diese Herumlauferei Spaß zu machen. Offenbar verschwendeten sie keinen Gedanken daran, wie das Ganze unter Kampfbedingungen aussehen würde.
Pirius lernte rasch, dass es nicht nur um simples Grabenhüpfen ging. Die Kadetten mussten die Gräben, in denen sie sich befanden, ausbauen und verstärken. Und sie übten den »überschlagenden Einsatz«, bei dem zwei Linien von Soldaten einander wechselseitig durchdrangen, um den Vormarsch zu beschleunigen.
Es wurde noch komplizierter. Züge von jeweils zehn Mann wurden zu Kompanien von vielleicht hundert warmen Körpern zusammengefasst. In solchen Einheiten übten sie dann weitere taktische Truppenbewegungen, wobei ein Zug unter dem Feuerschutz eines anderen
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