Sternenkinder
ohne großen Erfolg, wie Pirius fand.
Sie gingen weiter, gefolgt von dem seltsamen jungen Mann mit den Data-Desks, der immer noch unbemerkt hinter ihnen herlief.
Maruc öffnete eine Tür und führte sie in einen Raum. »Ein typischer Arbeitsbereich«, sagte sie.
Der von Lichtkugeln hell erleuchtete Raum enthielt Schreibtische und Arbeitsnischen. Menschen und Roboter arbeiteten in drangvoller Enge Seite an Seite. Die meisten Anwesenden beschäftigten sich mit flackernden virtuellen Bildern, einige mühten sich aber auch mit Data-Desks ab. Die Menschen waren klein und gepflegt; ihr Kopf war kahl geschoren, wie der von Maruc. Männer und Frauen waren gleichermaßen schlank, und es war schwer, die Geschlechter zu unterscheiden.
Einige dieser kahlen Köpfe kamen Pirius sonderbar groß vor; ihre Schädel wirkten aufgebläht und zerbrechlich. Wahrscheinlich eine optische Täuschung.
Die Leute im Raum schienen sich durch die Besucher gestört zu fühlen. Einige blickten nervös auf, bevor sie sich wieder in ihre Arbeit vergruben, als wollten sie sich verstecken. Andere berührten einander, fassten sich an den Händen, rieben die Stirnen aneinander oder küssten sich sogar sanft. Es wurde kein Wort gesprochen. Pirius spürte die Spannung im Raum, bis er und die anderen sich wieder zurückzogen.
Sie gingen weiter.
Maruc erzählte, wie sich das Archiv jahrtausendelang in den Olympus Mons gegraben hatte. In vieler Hinsicht war es ein idealer Ort für eine Bibliothek. Aus geologischer Sicht war der Mars eine stille, stabile Welt, und sogar dieser höchste Berg war seit einer Milliarde Jahren tot. Der Olympus bestand zum größten Teil aus Basaltgestein, das unter einer Oberflächenschicht durch uralte Einschläge zertrümmert und zerbrochen worden war – in Marucs eigenwilliger Formulierung: »durch Meteoriteneinschläge landschaftlich gestaltet« –, und das Gestein war porös und bröckelig, sodass man es mühelos mit Tunneln durchlöchern konnte. Er werde wärmer, je tiefer man grabe, sagte Maruc, aber das sei kein Problem; in einigen der am tiefsten gelegenen Räume diene die verbliebene innere Wärme des Mars sogar als Energieversorgung. Der ungeheure Gesteinsschild über ihnen war natürlich ein Schutz vor jeder vorsätzlichen Aggression wie auch vor Naturkatastrophen bis hin zum Einschlag eines kleinen Asteroiden.
Vor Pirius’ geistigem Auge formte sich das Bild eines riesigen Labyrinths in der gewaltigen Erhebung des Olympus, in dem überall Menschen durch Gänge liefen und in Kammern arbeiteten. Nach zwanzigtausend Jahren musste das Archiv sehr tief in den Berg hineinreichen, dachte er, mehrere Dutzend, ja vielleicht sogar mehrere hundert Kilometer tief. Und selbst dann war unter dem größten Berg des Sol-Systems immer noch reichlich Platz.
Maruc blieb an einer Tür stehen und öffnete sie. Sie traten in einen weiteren Korridor, der mit dem ersten identisch war. Den gingen sie entlang, bis sie nach einiger Zeit durch eine weitere Tür in einen weiteren Korridor gelangten, und dann bogen sie erneut ab. Pirius versuchte anhand der Abzweigungen, die sie nahmen, und der Anzahl der Türen, an denen sie vorbeikamen, im Kopf eine Karte zu konstruieren. Doch alle Gänge waren identisch und sahen in jeder Richtung gleich aus, und allmählich war er nicht mehr ganz sicher, in welche Richtung sie gingen.
Außerdem wurde die ohnehin schon dicke Luft zunehmend feuchter und wärmer, und er glaubte, trotz seiner Gesichtsmaske einen merkwürdigen Geruch wahrzunehmen – etwas Milchiges, seltsam Animalisches. Beunruhigt und desorientiert, machte er sich langsam Sorgen, den Rückweg nicht mehr zu finden.
Doch wohin sie auch gingen, der kleine Mann mit den Data-Desks folgte ihnen.
Sie betraten einen anderen Raum voller ängstlich dreinschauender Archivare. Maruc erklärte, einige von ihnen seien damit betraut, Nilis zu helfen.
Nur ungefähr die Hälfte der Menschen, die hier unter dem Berg lebten, waren mit den eigentlichen Daten befasst. Die anderen hatten Verwaltungsfunktionen inne, wie Maruc, oder waren mit unterstützenden Tätigkeiten beschäftigt, die den Betrieb in der Einrichtung aufrechterhielten: Es gab Spezialistengruppen, die neue Gänge noch tiefer in den Olympus hineintrieben, andere, die für die Luftzufuhr oder die Wasserversorgung zuständig waren, und wieder andere, die sich um die großen Nano-Nahrungsbänke kümmerten, welche mit der Restwärme des Olympus beheizt wurden.
Datenmaterial aus der ganzen
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