Sternenlaeufer
einsammelte, die Chayla verstreut hatte, fing sie also an, von ihrer eigenen verzweigten Verwandtschaft zu erzählen. Wenn sie auch durch Blutsbande mit niemandem außer ihren Eltern und ihrem Bruder verbunden war, gehörte sie doch durch ihre Stellung, da erst ihr Vater und dann ihr Mann Knappen des Hoheprinzen gewesen waren, zu dem Kreis von Edlen, der sie über sechs Prinzentümer verteilte. Sie sprach beiläufig von Kostas kleinem Sohn Daniv und von Rihani, Tilals Sohn, die eines Tages beide herrschende Prinzen sein würden; da war außerdem Alasens kleiner Dannar mit seinem flammend roten Schopf, und Vologs Enkel Saumer, benannt nach seinem alten Feind aus Isel. Es entging Meiglan völlig, dass alle die genannten Nachkommen Knaben waren. Sie nickte bloß und sah beeindruckt aus, erzählte aber freiwillig nichts von irgendwelchen Nachkommen, die eines Tages Cunaxa erben würden oder auch nicht. Sionell wusste nicht, ob dies auf List zurückzuführen war, auf einen Befehl von Miyon, den Mund zu halten, oder einfach auf Schüchternheit. Vielleicht eine Kombination aus allem, dachte sie.
Es ärgerte sie, dass sie Meiglan verdächtigte, und die Tatsache, dass dies geschah, ohne dass sie einen besonderen Grund dafür gehabt hätte, ärgerte sie nur noch mehr. Das Mädchen sah so unschuldig aus wie ein Regentropfen in der Sonne. Sionell hatte fast das Gefühl, sich bloßzustellen, weil sie ihr misstraute.
Vielleicht war das ja genau das Gefühl, das sie haben sollte.
Nachdem sie gesehen hatte, wie Meiglan beim Abendessen auf die spitzen Bemerkungen von Miyon hin weiß wie Schnee geworden war, hatte Sionell an diesem Tag genug.
»Ich habe noch nie gesehen, dass auch nur ein Diener so behandelt worden wäre!«, kochte sie, als Tallain und sie sich anschickten, zu Bett zu gehen. »Er sagt, er hätte sie mitgebracht, damit sie etwas von der Welt sieht. Aber in Wirklichkeit ist sie hier, damit er seine Laune an ihr auslassen kann!«
»Mit der er uns andere nicht zu behelligen wagt«, gab Tallain zurück. »Hört sich an, als hätte sie in dir eine Freundin gefunden.«
»Ich glaube, sie weiß gar nicht, was es heißt, eine Freundin zu haben.« Sie öffnete wütend ihr Haar und fing an, es zu bürsten.
Tallain lächelte. Er nahm ihr die Bürste aus den Fingern und glättete die dichten, roten Locken voller Liebe und Stolz. »Ich verstehe deinen Zorn, Sionell. Aber reiß dir deshalb nicht die Haare aus. Meiglan sieht ihn hier wahrscheinlich nicht so viel wie in Castle Pine, also hat er weniger Gelegenheit, sie zu quälen. Das allein ist sicher schon ein Segen für das arme Mädchen.«
Sionell schloss die Augen und seufzte vor Vergnügen über die angenehme Berührung. »Ich warte immer noch darauf, dass sie ein wenig lächelt. Heute früh waren wir Blumen pflücken. Und niemand kann Chayla und Rohannon beim Spielen widerstehen. Aber sie war völlig starr und in sich gekehrt. Es ist ein Jammer, Tallain. Sie ist doch selbst kaum mehr als ein Kind.«
»Hhmm. Wenn man ihr Gesicht sieht, ja. Vielleicht.«
Sionell erwiderte seinen Blick im Spiegel des Ankleidetisches. »Was soll das heißen?«
»Dieses Kind hat den Körper einer Frau. Es gibt hier nicht einen einzigen Mann, der das nicht bemerkt hätte.«
Sie zog die Brauen hoch. »Dich eingeschlossen?«
»Natürlich«, erwiderte er fröhlich. »Aber ich ziehe Frauen vor, die auch wirklich Frauen sind.«
»Hübsch gesagt, Mylord.«
»Und außerdem ist es die Wahrheit. Und die ist etwas, was ich in den letzten sechs Tagen nicht sehr oft gehört habe.«
Sie wandte sich zu ihm um. »Bist du dahintergekommen, warum Miyon wirklich hier ist?«
»Ich weiß immer noch nichts Genaues.« Achselzuckend klopfte er mit der Rückseite der Bürste auf seine Hand. »Es kommt mir so vor, als warte er darauf, dass mangelndes Übereinkommen zwischen uns es erforderlich macht, dass er doch noch Stronghold zu direkten Gesprächen mit Rohan und Pol aufsucht. Aber was er dann von denen will, ist alles andere als klar.«
»Er weiß, dass du ermächtigt bist, in ihrem Namen die Verhandlungen zu führen«, überlegte sie. »Also haben wir Recht, und diese Geschichte mit der jährlichen Gebühr ist nur ein Vorwand. Ich frage mich, was er will.«
»Was er immer gewollt hat: Tiglath selbst. Wir haben neulich einen Gang durch die Lagerhäuser gemacht, und seine Augen haben vor Gier förmlich geleuchtet.«
»Hat er irgendeinen Plan im Sinn, wie er uns die Stadt abnehmen kann?«
»Um das zu
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