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Sternenlaeufer

Sternenlaeufer

Titel: Sternenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Weinkelch.
    Er warf Andry einen verstohlenen, nachdenklichen Blick zu. Es machte Sinn. Er konnte den Rest der Familie dazu benutzen, Andry von allen Seiten zu umgeben, er konnte dann zulassen, dass der schließlich glaubte, in Rohans eigener Position eine Schwachstelle auszumachen – und ihn so in die Falle locken. Der Gebrauch von militärischen Metaphern, um ein Verhalten seinem Blutsverwandten gegenüber zu beschreiben, hinterließ einen sehr schlechten Geschmack.
    Aber auch Feylin war noch niemals und von niemandem der Vorwurf gemacht worden, dumm zu sein.
    Tobin und Chay hatten das Manöver ganz unwissentlich am Morgen begonnen. Sie hatten sich allein mit ihrem Sohn getroffen, aber das Einzige, was sie ausgetauscht hatten, waren offizielle Worte der Trauer über Sorins Tod. Andrys kühles Verhalten hatte sie verwirrt und verletzt, und auch das war sicher eine emotionale Belastung für ihn. Er liebte seine Eltern von ganzem Herzen. Sioned hatte es auf andere Art versucht. Rohan würde warten müssen, bis er einen detaillierten Bericht über dies Gespräch erhielt, aber es war ein gutes Zeichen, dass Andry aussah, als fühle er sich nicht ganz wohl. Maarken sollte jetzt der Nächste sein; Andry betete ihn an, und Maarken war der einzige Bruder, der ihm noch geblieben war. Wenn er es noch aushielt, konnte Andry nur Pol – nein, musste er Pol für Rohans Schwachstelle halten, und diese Schwäche würde Andry ködern.
    Und was, im Namen der Göttin und all ihrer Werte, dachte er eigentlich?
    Angewidert und von dem Gefühl belastet, irgendwie unsauber zu sein, sprang Rohan auf. Feylins Hand auf seinem Arm hielt ihn zurück.
    »Er ist kein Kind mehr, Rohan«, murmelte sie. »Er leitet die Schule der Göttin, und er tut das sehr, sehr gut.«
    Rohan starrte auf sie hinab. »Ich kann doch nicht meinen eigenen Verwandten in eine Falle locken.«
    »Du bist ein ehrenhafter Mann. Wird er sich aber ebenso verhalten?«
    »Wenn er es nicht tut, ist er nicht Chays Sohn. Oder der meiner Schwester.«
    Ihre Augen nahmen das blasse Grau neuen Stahls an. »Aber gerade weil er ihr Sohn ist, glaubt er doch ebenso stark in allem an seine eigenen Wahrheiten wie du an deine. Glaube ist viel gefährlicher als Täuschung.« Ihr Blick wurde weicher, und sie drückte sanft seinen Arm. »Ich kenne dich, Rohan. Du belügst nur Menschen, die es nicht besser verdienen. Walvis war bereits so geformt, als er als Knappe zu dir kam, aber du hast ihn endgültig geprägt und poliert. Ich habe ihn mit Gold verglichen, und das ist er. Und du auch. Aber Menschen belügen zu müssen, die wichtig sind, hinterlässt bei euch beiden Flecken. Trotzdem – ich möchte keinen von euch beiden anders haben.« Sie schüttelte nachdenklich den Kopf. »Dabei wäre es so viel leichter, wenn ihr anders wäret.«
    Rohan lächelte auf sie hinab. »Und du wärst gerne rücksichtslos, oder?«
    »Es wäre eine Hilfe.«
    »Versuch es gar nicht erst. Es passt nicht zu dir. Ich kann so rücksichtslos sein, dass es für uns alle reicht.«
    »Aber nicht Andry gegenüber.«
    Er holte tief Luft. »Nein. Du hast Recht – ich würde mich befleckt fühlen. Und nach dreißig Jahren Regentschaft habe ich, weiß die Göttin, wirklich genug Dreck an mir kleben.«
    »Davon sieht man nichts.« Feylin schob ihre Hand in seine und drückte sie.
    Als er Andry später nach oben einlud, wie er es ursprünglich geplant hatte, erinnerte er sich ihrer Worte. Vielleicht würde man den Schmutz nicht sehen, wenn außer ihm und seinem Neffen niemand Zeuge wurde.
    Sioned gehorchte Rohans Blick und ließ sie im Vorzimmer allein, obwohl es ihr nicht gefiel, ausgeschlossen zu werden. Sie behauptete, zu müde zu sein, um noch bei einem späten Kelch Wein zusammenzusitzen. Arlis bediente sie und zog sich dann unter Verbeugungen zurück, um in der Halle zu warten, falls Rohan ihn noch benötigen sollte.
    »Er wird einen ausgezeichneten Prinzen abgeben«, sagte Andry, um ein Gespräch in Gang zu bringen.
    »Ich hoffe, sein Großvater ist deiner Meinung. Seit Saumers Tod vor zwei Wintern hilft Volog, Isel zu regieren, und beklagt sich die ganze Zeit, dass er viel zu alt für diese Arbeit sei.« Er machte eine Pause und trank einen Schluck Wein. »Aber weißt du, ich glaube, er war ehrlich getroffen, als Saumer starb, wenn er das auch niemals zugeben würde. Manchmal ist es schlimmer, einen lebenslangen Feind zu verlieren als einen lebenslangen Freund.«
    »In den letzten Jahren haben sie doch recht gut

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