Sternenlaeufer
hat mit ihm nicht viel Glück in Tiglath. Deshalb nehme ich an, dass Miyon schon recht bald hier sein wird.« Sie verzog das Gesicht. »Und als gute, gehorsame Prinzessin werde ich mit der Schlange tanzen müssen.«
Sie saßen mehr oder weniger isoliert am Tisch der Hohen. Nach dem Mahl hatte Rohan seinen Platz an der Seite seiner Gemahlin verlassen, um mit Feylin über Drachen zu diskutieren; was hätte es auch anderes sein können. Maarken und Pol versuchten die Kunst des Jonglierens mit eingefetteten Stäben. Tobin und Hollis lachten über ihre Erfolglosigkeit. Was die anderen anging, so versuchte Walvis Chay in einem besonderen Punkt bei der Leitung eines Besitzes von einer Änderung zu überzeugen, während die hübsche Ruala aus Elktrap gebannt lauschte. Morwenna hatte ihren gewohnten Lichtläuferplatz räumen müssen, da höher gestellte Faradh’im anwesend waren, und beobachtete das alles nun mit einem Blick, der Andry trotz seiner dunklen Färbung gewaltig an Andrades listig blaue Augen erinnerte. Selbst wenn er nicht hinsah, konnte er fühlen, wie sie beobachtete und beurteilte, ohne sich um Nialdans und Oclels Versuche, sie zu unterhalten, zu kümmern.
»Was hat er deiner Meinung nach denn wohl vor?«, erkundigte sich Andry als Antwort auf Sioneds letzte Bemerkung.
»Du bist in der Wüste aufgewachsen, du weißt genau, was er will.«
»Am liebsten den Hafen Radzyn«, gab Andry mit einem Lächeln zu. »Wird er sich in seinem Leben je mit weniger zufrieden geben?«
»Er wird es müssen. Aber du hast natürlich Recht. Es ist verdammt lästig, dass er ständig da oben im Norden herumlungert.«
»Wenigstens ist er jetzt eine Zeit lang hier, so dass du ihn beobachten kannst.«
»Hmm. Manchmal glaube ich, seine Händler sind noch schlimmer als er.«
»Sie versuchen nur zu überleben, Sioned.«
»Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Ich werde nur wütend, wenn sie ihr Überleben mit unserer Zerstörung gleichsetzen.« Sie zog eine Grimasse. »Keine ganz neue Erfahrung.«
Andry nippte an seinem Wein und meinte dann: »Ich habe mich schon gefragt, wann du endlich den Drachentöter erwähnen würdest.«
»Ich habe mich gefragt, ob ich es wagen kann.« Sie erwiderte offen seinen Blick. »Ich bewundere deine Selbstbeherrschung.«
Ihre Worte drückten die Anerkennung aus für sein bislang so unerwartet sanftes Verhalten und das Eingeständnis ihres Misstrauens dem gegenüber. Seine lockere Art und sein ruhiger Einzug in Stronghold waren nicht unbemerkt geblieben – aber das hatte er auch nicht erwartet. Er nickte ausdruckslos.
»Als kleiner Junge warst du mir gegenüber immer sehr ehrlich«, murmelte sie.
»Du hast vielleicht gemerkt, dass ich inzwischen erwachsen bin.«
»Spiel nicht mit mir, Andry.«
»Warum nicht? Hast du Angst, du würdest verlieren?«
Er erwartete eine gerunzelte Stirn, und sah sich einem Lächeln gegenüber. Dabei fiel ihm ein, dass Sioned weit länger von Andrade ausgebildet worden war als er. »Du sprichst, als gäbe es zwischen uns Streit, Neffe.«
»Ist das denn nicht so?«
»Zielst du darauf ab?«
Er wünschte sich verzweifelt, seine Rolle ablegen zu können, und war nur noch um Haaresbreite davon entfernt, als sie fortfuhr.
»Hast du je gezählt, wie oft du verloren hast?«
Obwohl sein Körper regungslos blieb, versteifte sich sein Rückgrat.
»Komm, Andry. Wir stehen auf derselben Seite, weißt du«, erklärte sie ihm mit ruhiger Stimme.
Ihre grünen Augen hielten die seinen mit einem Trick gefangen, den Andrade all ihren hochrangigen Lichtläufern beigebracht hatte. Andry hatte ihn allein gelernt – und wusste auch, wie man ihm entging. Er sah nicht fort, sondern konzentrierte stattdessen alles, was er war, in seinen Augen. All sein Wissen, all seine Gaben, sein ganzer Wille bohrten sich in sie. Schon nach wenigen Herzschlägen hätte sie wankend werden müssen. Aber ihr Blick blieb ruhig und unbewegt.
»Du bist tatsächlich erwachsen geworden«, meinte sie schließlich.
Daraufhin war er es, der den Kontakt durchbrach, weil er wenigstens einen Teil ihrer Kraft verstand. Diese feurige, leidenschaftliche Frau hatte im Laufe ihres Lebens gelernt, dass ungezügelte Leidenschaft eine Leidenschaft war, die ihren Anwender zerstörte. Die Dinge, die sie antrieben, waren vielleicht zum Großteil dieselben, die auch ihn antrieben – aber sie kannte Geduld und Zurückhaltung im Umgang mit der Macht. In ihr gab es ein Zentrum, in dem Leidenschaft und rastloser Intellekt
Weitere Kostenlose Bücher