Sternenlaeufer
sanft hin- und herzuwiegen, als die Töne sich von hohen und tiefen Saiten lösten, und ihre Röcke schwangen im Takt ihrer Musik.
Atemloses Entzücken, wie bei den Demonstrationen eines Lichtläufers, zog durch die Abendluft. Jenseits der Saiten und der flinken, graziösen Hände glühte Meiglans Gesicht sanft und lebendig. Manche Frauen hoben ein Gesicht wie dieses für ihren Liebhaber auf, für ein begehrtes Juwel, für einen Traum, der sich erfüllte, für die Leidenschaft ihres Lebens. So leuchteten Sioneds Augen, wenn ihr Blick auf ihrem Gemahl ruhte, oder wenn sie das Sonnenlicht aus purer Freude am Flug verwebte. Faradh’im wussten, welchen Zauber sie herbeirufen konnten, und sie kannten die Wirkung ihrer Kunst. Dieses Mädchen war sich nur noch seiner selbst bewusst. Klein und allein war Meiglan wie eine einsame Insel einzigartiger Magie.
Eine langsame Bewegung zog Sionells Blick auf sich. Pol hatte sich erhoben. Seine Hände waren auf den Tisch gestützt und sein Körper leicht vornüber gebeugt. Seine Lippen waren geöffnet und seine Augen auf die schlanke Gestalt geheftet, die sich dort wiegte. Und die eine solche Musik hervorbrachte, solche unglaubliche Musik!
Die Saiten sangen einen letzten, bezaubernden Akkord, der in einem einzigen hohen, klaren Ton endete.
»Mein kostbarster Schatz«, erklärte Miyon lächelnd.
Kapitel 17
Felsenburg: Frühjahr, 30. Tag
Alasen eilte den Gang vom Kinderzimmer entlang. Sie kam zu spät für ihre Verabredung mit ihrem Diener. Dannar zahnte, und auf die üblichen Salben reagierte er mit wütendem Gebrüll, das sein komisches kleines Gesicht röter werden ließ als seine Haare. Die einzig erfolgreiche Methode, ihn zu beruhigen, war ein Lied seines Vaters, aber Ostvel war bereits die halbe Nacht mit dem Kind auf gewesen, damit die anderen Bewohner des Schlosses ein wenig Schlaf bekamen. Ihr Jüngster verfügte wirklich über eine beachtliche Lunge und schämte sich nicht, sie zu benutzen.
»Ich werde zu alt dafür«, hatte Ostvel gestöhnt, als er bei Morgengrauen endlich ins Bett gekommen war. »Die Mädchen haben wenigstens noch gewartet, bis sie laufen konnten, ehe sie anfingen, das ganze Schloss zu kommandieren. Das kann nicht nur daran liegen, dass er ein Mann ist – Riyan hat nie so gekreischt.«
Alasens Gespräch mit dem Diener hatte etwas mit diesem Gekreische zu tun; es musste doch noch irgendjemanden in der Felsenburg geben, der ein Schlaflied für Dannar singen konnte. Sie bog um eine Ecke und ging auf eine Treppe zu, fing dann aber gleich an zu rennen, als sie die Stimmen ihrer Töchter hörte, die ihren kleinen Bruder ausgezeichnet imitierten.
Die Schreie, die von den Mauern widerhallten, alarmierten sie allerdings nicht besonders, denn gleich darauf wurde gekichert. Aber sie kannte ihre Mädchen und war sicher, dass irgendeinem Teil des Schlosses Unheil bevorstand. Camigwen und Milar selbst waren unzerstörbar, wie ihre Versuche im vergangenen Winter gezeigt hatten, bei denen ein Leuchter und eine Leiter eine Rolle gespielt hatten.
Doch diesmal sah sich Alasen nicht zwei kleinen Gestalten gegenüber, die fröhlich von einer Deckenhalterung baumelten, sondern einer improvisierten Schlittenparty auf der Treppe. Eine riesige Silberschüssel, die eine gesamte Abendmahlzeit Suppe aufnehmen konnte, war dazu auserkoren worden. Deren Griffe lagen in Jenis entschlossenen Fäusten, als sie mit halsbrecherischer Geschwindigkeit und dem Kopf voraus auf den Treppenabsatz zujagte, während sich Milar an ihren Rücken klammerte wie ein Blutegel. Alasen konnte erleichtert erkennen, dass die beiden Dutzende von Kissen an die Wand gestapelt hatten, um den Aufprall zu bremsen. Trotzdem war er stark genug, um ihnen beiden den Atem zu rauben. Kissensäume platzten und Federn flogen wie Schneeflocken umher.
»Noch mal!«, schrie Milar aus der Mitte des Schneesturms.
»Noch einmal hier, dann versuchen wir die Wendeltreppe.« Jeni sortierte Arme und Beine, bürstete sich ab und ergriff die Schüssel. Als sie sich umdrehte, um wieder hinaufzusteigen, erblickte sie plötzlich ihre Mutter.
Alasen gab sich große Mühe, nicht laut aufzulachen. Mit ihren schuldbewussten, von Federn gezierten Gesichtern waren sie anbetungswürdig. Außerdem hatte es so ausgesehen, als hätte der wilde Ritt schrecklichen Spaß gemacht.
»Die Wendeltreppe, ja?«, fragte sie.
»Wir haben nichts kaputt gemacht, Mama«, versicherte Jeni hastig. »Darum die Kissen. Und die Schüssel hat nicht
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