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Sternenlaeufer

Sternenlaeufer

Titel: Sternenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Aber gewiss sollten wir uns nicht über sie lustig machen!«
    »Ich bin sicher, das lag nicht in seiner Absicht.« Unter dem seidenweichen Klang von Sioneds Stimme lag stählerne Härte. »Ich nehme an, Lord Barig ist einfach nicht an die Dankgebete gewöhnt, die in der Schule der Göttin gesprochen werden. Dort werden die Dinge natürlich formeller gehandhabt. Ich fand Lord Andrys Worte reizend.«
    »Wie wir alle«, erklärte Barig hastig, denn er hatte ihren warnenden Unterton gehört.
    Oclels Antwort war honigsüß. »Dann können wir uns ja darauf verlassen, dass Eure Lordschaft in Medawari in Zukunft ähnliche Danksagungen sprechen wird. Das würde gewiss die Gunst der Göttin finden.«
    Ganz zu schweigen von der von Andry, dachte Rohan. »Ich bin sicher, Lord Barig wird mit Seiner Hoheit von Gilad darüber sprechen«, sagte er laut. »Doch so interessant das auch ist, so schlage ich doch vor, dass wir zum Thema zurückkommen.« Sein Ton legte nahe, dass das besser der Fall wäre, sonst … Die beiden Männer nickten, und Rohan fuhr fort: »Ich bin sehr interessiert daran, wie Eure Lordschaft Prinz Cabars Position analysiert. Ich bin überzeugt, dass Oclel als Lord Andrys Repräsentant ebenso überzeugend sein wird.« So nahm er dem Lichtläufer geschickt jede Möglichkeit, weitschweifige Reden zu schwingen, und zauberte den Hauch eines Grinsens auf Barigs Gesicht. Rohan musste Sioned nicht einmal ansehen, damit sie die Fäden auffing, die er ihr zuwarf.
    »So wie ich die Dinge verstehe«, sagte sie, »steht nicht die Schuld dieser unglücklichen Frau zur Debatte, sondern die Zuständigkeit für Verhandlung und Bestrafung. Lord Andry hält es für sein Recht als Herr der Schule der Göttin und Prinz Cabar für das seine als Herrscher von Gilad. Aber hat irgendjemand auch einmal an die Rechte dieser Lichtläuferin gedacht?«
    Sie starrten sie an. Rohan lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schloss halb die Augen, während er ihr zuhörte und zusah. Wie sehr liebte er doch diese Beweise ihres gradlinigen Denkens …
    »Hat überhaupt schon irgendjemand mit ihr gesprochen? Und herausgefunden, wie sie die Sache sieht?«
    »Sie wurde befragt, Hoheit«, fing Barig an.
    »Befragt? Meint Ihr ›verhört‹, mein Herr? Hat irgendjemand sie gefragt, warum sie überhaupt eingewilligt hat, Meister Thacri zu behandeln? Sie ist doch gewiss entsetzt darüber, dass sie diesen Fehler gemacht hat.«
    »Verzeiht, Hoheit«, erklärte Barig steif, »aber von ›Entschuldigungen‹ werden Meister Thacris Weib und seine Kinder nicht satt.«
    Oclel meldete sich. »Das hat auch niemals irgendjemand behauptet, mein Herr. Mir scheint, die Frage ist nicht die, ob sie den Tod dieses Mannes fahrlässig herbeigeführt hat, sondern ob er nicht ohnehin gestorben wäre. Sie war die einzige verfügbare Ärztin. Sie hat versucht, ihn zu heilen, wie es ihre Pflicht als Lichtläuferin war. Denn sie hat geschworen zu helfen, wann und wo es nötig ist.«
    »Der Versuch ist fehlgeschlagen«, sagte Barig tonlos.
    Sioned schien einen Moment zornig über die Unterbrechung ihrer Beweisführung. »Ihre Jugend und Unerfahrenheit müssen bedacht werden. Sie ist erst … wie alt, dreiundzwanzig? Vierundzwanzig?«
    Einer der Rechtsgelehrten war so unbesonnen, zur Höchsten Prinzessin zu sprechen. »Das macht keinen Unterschied, Hoheit. Der Mann ist tot, und das durch die Schuld dieser Frau. Das Gesetz verlangt deutlich, dass Schadenersatz geleistet werden muss.«
    »Und was ist mit der Gerechtigkeit?«, rief Sioned aus. »Wenn das Gesetz irgendeine Bedeutung haben soll, dann muss Recht gesprochen werden. Es sind Barbaren, die nur eine Definition von einem Verbrechen und nur eine einzige Sühne dafür kennen. Sollte der Mann, der einen Laib Brot stiehlt, um seine hungernde Familie zu ernähren, ebenso bestraft werden wie der Mann, der nur stiehlt, um zu beweisen, dass er es kann? Das Privileg der Zivilisation ist es zu denken, zu überlegen und Gnade walten zu lassen. Aber es ist auch der Fluch der Zivilisation, Gerechtigkeit zu suchen. Schließlich ist die einfache, barbarische Entschädigung so viel leichter.«
    Rohan wäre beinahe aufgestanden und hätte applaudiert. Nun war er dran, so hatten sie es zuvor vereinbart. Aber er hatte nicht so viel Leidenschaft von Sioned erwartet, so viel Glauben und Gefühl. Vor dreißig Jahren hatte er sich in seiner Verpflichtung dem Gesetz und nicht dem Schwert gegenüber schrecklich allein gefühlt. Aber dann war sie

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