Sternenlaeufer
blickten gequält. »Ich habe erlebt, was geschehen ist. Du und Nialdan und Oclel, ihr haltet auch mich darin gefangen. Aber ich verstehe nicht, warum ihr so etwas so bereitwillig tun konntet.«
»Ich bin sicher, du hast schon früher davon gewusst, Mutter. Selbst wenn Maarken und Hollis nichts erzählt haben, so hat Pol doch auch seine Spione.«
Pol zwang sich, reglos stehen zu bleiben. Er sehnte sich danach, dieses sarkastische halbe Lächeln von Andrys Gesicht zu wischen, zwang seinen Körper aber trotzdem zu absoluter Ruhe. Es würde andere, befriedigendere Wege der Rache geben. Er befahl sich, geduldig zu sein.
Rohan hatte die ganze Zeit über geschwiegen. Jetzt stand er auf, und Pol beobachtete mit der gewohnten Ehrfurcht und ein wenig Neid, wie sein Vater mühelos die Augen aller Anwesenden auf sich zog. Pol staunte, wie er das machte. Als er die Macht der bloßen Anwesenheit seines Vaters analysierte, erkannte Pol, dass sie hauptsächlich auf der Art beruhte, wie er sich hielt – aufrecht, stolz, doch ohne Arroganz – und auf seinen Augen, die nichts verrieten. Er blickte klar, aufmerksam, aber ohne Furcht. Dies war ein Mann, den man nicht mit Reichtum oder Macht oder Schmeicheleien beeindrucken konnte, nur mit den Qualitäten von Verstand und Charakter. Zu Zeiten wie diesen war seine Macht beinahe sichtbar. Ob man nun sein Feind oder sein Verbündeter war, der Respekt dieses Mannes war etwas, das man in Ehren hielt.
Pol konnte auch aus der ruhigen Autorität von Rohans Stimme Macht hören, als er sagte: »Wir alle wussten davon. Was wir nicht wissen ist, warum du es getan hast. Du hast viel von Andrade gelernt. Sie hätte sich sicher auch nicht weiter erklärt, als es jetzt in deiner Absicht zu liegen scheint. Aber bedenke eines, Andry. Was du als Lichtläufer tust und was ich als Hoheprinz tue, diese Dinge hängen zusammen. Was jeder von uns tut, fällt auf den anderen zurück. Genau wie deine Albtraum-Weberei. Dein Mord an Marron gestern Abend …«
»Es war Sühne«, erklärte Andry kalt.
»Es war Mord. Eine Verspottung der Justiz. Schlimmer noch, du hast deinen Schwur gebrochen, dass du deine Gabe niemals einsetzen würdest, um jemanden zu töten.«
Andry riss die Augen auf und lachte überrascht. »Du denkst doch wohl nicht daran, mich dafür zu bestrafen!«
»In diesem Prinzentum bleibt ein Mord nicht ungesühnt. Der Einsatz von Macht bleibt nicht unbemerkt. Wir haben uns entschlossen, jetzt unsere eigene zu nutzen.«
Der königliche Plural verblüffte Andry. »Er hat Sorin getötet! Er hat den Tod verdient! Wer hätte ein größeres Recht dazu als …«
Rohan kümmerte sich nicht um Andrys Ausbruch und fuhr unbeirrt fort: »Wir beherbergen in unserem Prinzentum keine Mörder. Ihr habt drei Tage, um Euch aus unserem Land zu entfernen. Wenn Ihr Euren Fuß noch einmal auf unseren Besitz setzt, so werdet Ihr wegen Mordes festgenommen und bestraft.«
Andrys Gesicht wurde blass. Aber es kam noch mehr.
»Des Weiteren verbieten wir Eure Gegenwart in jedem Prinzentum, in dem wir uns aufzuhalten gedenken, für welchen Zeitraum auch immer. Diese Einschränkung wird aufgehoben für das Rialla alle drei Jahre und für die beiden vorangehenden und folgenden Tage.«
»Du hast kein Recht …«
Rohans Wut ging nun doch mit ihm durch. »Wir haben jedes Recht! Seid dankbar, dass wir nicht befehlen, dass Ihr Euch auf die Schule der Göttin beschränkt!«
Andry sprang auf und brüllte: »Und wie wolltest du das tun?«
»Dieses Ros’salath mag uns daran hindern, dort einzudringen – aber wir könnten Euch auch daran hindern, sie zu verlassen. Außerdem …«
»Wie kannst du es wagen?«, schrie Andry. »Ich werde mich nicht wegen eines Verbrechens verurteilen lassen, das kein Verbrechen war, und das durch jemanden, der nicht die Autorität besitzt …«
»Des Weiteren«, wiederholte Rohan, »ist jede Anwendung dessen, was Ihr als Ros’salath bezeichnet, verboten, es sei denn zur direkten Verteidigung der Schule der Göttin, solange wir der Hoheprinz sind. Ihr habt es für nötig gehalten, es zu lernen, zu lehren und sogar anzuwenden. Aus welchem Grund es auch geschah, bedenkt Eure Motive sorgfältig. Seid versichert, dass wir es genauso halten werden.« Er starrte Andry an. »Euer Großvater hat einmal gesagt, dass die Versprechungen eines Prinzen mit ihm sterben. Wenn Pol hier herrscht, mag er über diese Dinge entscheiden, wie es ihm gefällt. Aber so lange wir leben, Lord Andry …«
»Du hast
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