Sternenlaeufer
belästigen.« Er wies Mireva in den winzigen Raum und verbeugte sich schwungvoll und sarkastisch. »Ehe er sie persönlich in den Weiten Sand hinausgeleitete und sie dort allein ließ.«
»Warum verfahrt ihr mit mir nicht ebenso?«, fragte sie.
»Ihr habt Hoheit ja gehört«, erinnerte Maarken sie. »Er wünscht, dass ihr zuseht, wie eure letzte Hoffnung stirbt.«
Sie lächelte. »Wenn das geschieht, was noch überhaupt nicht sicher ist, dann auf jeden Fall erst dann, wenn die Schuld an Segevs Tod von deinem mörderischen Weib beglichen worden ist.«
Pol sah, dass Maarken unter dem plötzlichen Ansturm von beschworenem Feuer weiß wurde, und dann presste sein Vetter Mireva an der Kehle gegen die Wand.
»Wenn du auch nur etwas denkst, was meiner Gemahlin oder meinen Kindern schadet, dann bringe ich dich persönlich um«, zischte Maarken und schob sie höher an den Steinen hinauf. »Und ich warne dich: Ich bin weder so mächtig noch so zivilisiert wie mein Bruder oder mein Vetter. Ich würde sehr lange brauchen, und ich würde sicherstellen, dass jeder einzelne Augenblick von höchster Qual erfüllt ist. Also hüte selbst deine Gedanken, Hexe. Irgendjemand wird immer zuhören.«
Pol hatte schon früher Tod in Maarkens Blick gesehen, aber nicht so wie jetzt. Selbst Mireva war entsetzt. Maarken ließ sie benommen auf den Steinboden fallen und machte auf dem Absatz kehrt. Er überließ es Andry und Pol, die Tür zu sichern.
Pol unterzog die Zelle einer eiligen Inspektion. Sie war vollkommen kahl, und es gab nicht einmal eine Decke, auf der man liegen oder einen Halm Stroh, mit dem man ein Licht hätte anzünden können, wenn es dunkel wurde. Es gab keine Fenster. Die schwere Eisentür hatte keinen Schlitz, durch den man etwas zu essen oder zu trinken schieben konnte. Offensichtlich hatte sein Großvater gnadenlose Strafen verhängt; war sie erst einmal geschlossen, wurde diese Tür nur geöffnet, um den Gefangenen zu einem schnellen Tod in den Weiten des Weiten Sandes abzutransportieren.
Ihm kam der Gedanke, dass Ianthe Sioned wahrscheinlich in genau so einem Raum gefangen gehalten hatte.
»Es gibt hier nichts, was sie benutzen kann, selbst wenn sie ihre Hände frei bekäme«, bemerkte Andry. »Und so, wie Rohan die Drähte gebunden hat, würde sie ihre Hände an den Handgelenken aufschneiden, ehe sie sich befreien könnte.« Andry musterte Mireva einen langen Moment und warf dann die Tür mit lautem Knall zu. »Und jetzt warten wir.«
Pol versperrte das Schloss. »Es wird nicht lange dauern.«
»Bist du darauf vorbereitet? Darauf, was er dir antun will?«
Pol dachte seine winzige Fingerflamme näher, damit er Andrys Gesicht sehen konnte. »Nun sag bloß nicht, du würdest dir Sorgen machen.«
Sein Vetter zuckte mit den Achseln. »Besser, du wirst Hoheprinz als Roelstras Enkel.«
Pol verzog keine Miene. »Ich dachte mir schon, dass du es so sehen würdest.« Dann seufzte er. »Tut mir leid. Ich wollte das nicht sagen. Ich wollte dir für deine Hilfe heute Abend danken. Du musstest das nicht, aber du hast es getan.«
»Richtig.« Andry nickte, und sie schickten sich an, nach oben zu gehen.
Die nächsten Worte fielen Pol noch schwerer, aber dennoch sagte er sie. »Wir haben gut zusammengearbeitet. Ich finde, das zeigt, dass wir das auch weiterhin tun sollten.«
Andry warf ihm einen fragenden Blick zu. »Was hat sie noch gesagt? ›Wenn Drachen über die Meere fliegen anstatt durch die Himmel‹?«
»Warum musst du alles immer so schwer machen?«
»Ich habe meine Pflichten und meine Verantwortungen. Du hast deine. Wenn sie zusammenprallen … Zumindest kann man uns nicht vorwerfen, dass wir uns zur totalen Tyrannei verbünden, nicht wahr? Ist das nicht ein wünschenswertes Ergebnis? Das müsste für die anderen Prinzen doch beruhigend sein.«
Pol hielt ihn zurück, indem er ihn am Arm packte. »Hör auf damit, verdammt! Andrade und Roelstra haben ihrer Macht gegenseitig Zügel angelegt und sind lebenslange Feinde gewesen. Wir müssen es nicht genauso machen.«
»Du bist ein Träumer, Vetter. Du denkst daran, was sein könnte. Ich denke daran, was – wie ich weiß – kommen wird.«
Es fiel Pol schwer, sich zu beherrschen. »Immer wieder erwähnst du diese mysteriöse Zukunft. Was genau fürchtest du eigentlich?« Einen Augenblick lang dachte er, Andry würde es ihm erzählen. Doch dann erklärte sein Vetter ihm achselzuckend: »Wenn du lange genug lebst, findest du es vielleicht heraus.«
Sein Griff
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