Sternenlaeufer
langsamen, misstrauischen Schritt und nahm das fiebrige Pulsieren in seiner Wange wieder auf. Ruval atmete kaum. Er schien ehrlich verängstigt, aber Pol wagte sich nicht in seine Reichweite.
»Steh auf!«, befahl er scharf und hustete, als die heiße Luft in seiner Kehle kratzte. Er warf den Kopf zurück, um das schweißnasse Haar aus den Augen zu wischen.
Ruval versuchte es erneut, schob sich mit hängendem Kopf auf Hände und Füße hoch, während er nach Atem rang. Pol trat wachsam einen halben Schritt zurück. Sein Knie gab unter ihm nach, und mit einem Stöhnen ging er zu Boden.
Ruval war über ihm. Das Gesicht, das da auf Pol herabgrinste, war blond und hatte helle Augen. Es war sein eigenes.
»Sag ›bitte‹, kleiner Bruder.« Ruval bog Pols verletztes Bein in einen unerträglich schmerzhaften Winkel. Etwas anderes war gar nicht nötig; der Griff an sein Knie machte Pol völlig unbeweglich. Er stöhnte vor Schmerz, als die Knochen aneinanderknirschten und die Sehnen bis an ihre Grenzen gedehnt wurden.
»Ich werde diese Gestalt gerade lange genug bewahren, um deinen Vater zu töten«, informierte Ruval ihn und lachte leise. »Oder vielleicht auch bis morgen. Ich lasse sie glauben, dass du gewonnen hast, und feiere heute Nacht meinen Sieg zwischen Meiglans Schenkeln.«
Er war ein Narr, dass er Ruval am Leben gelassen hatte. Jetzt war es zu spät. Pol befahl jedem Muskel seines Körpers, schlaff zu werden. »Schneller Tod … quäl mich nicht …«
Er unterbrach seine Rede mit bellendem Husten.
Sein eigenes Gesicht lachte mit Ruvals Stimme, und seine eigenen Augen leuchteten unter Ruvals Triumph. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst ›bitte‹ sagen?«
»Sag mir nur … warum auf diese Art … du bist mein Bruder … hätte dir gegeben …«
»Beim Namenlosen, bist du wirklich so dumm?« Ruval starrte ihn an, und Pol fühlte, wie sich sein Griff an seinem Bein ein wenig lockerte. »Du hast vieles, was mir gehört«, erklärte Ruval, als spräche er mit einem besonders begriffsstutzigen Kind. »Titel, Ehren, die Prinzenmark …«
»Töte meinen Vater nicht! Verschone ihn … und Meiglan … Zeit, er brauchte Zeit…
»Das ist ein Gedanke«, gab Ruval zu. »Schlimmer als der Tod wäre es für ihn, mich als Hoheprinzen zu sehen. Und sie wäre sicher glücklich, ein winselndes Prinzchen gegen einen richtigen Mann einzutauschen. Ja, vielleicht lasse ich sie noch ein Weilchen leben. Wenn du mich lieb genug bittest.«
Während er seine Kräfte sammelte, flüsterte Pol: »Bitte.«
Ruval grinste. »Noch mal.«
»Bitte!« Es schmeckte bitter, aber er sagte das Wort ein zweites Mal.
»Das Schönste, was ein Feind sagen kann!« Kichernd streckte Ruval die Hand empor, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
Pol warf sich herum, so schnell er konnte, und rammte sein gesundes Knie in Ruvals Brust. Sein Atem verließ ihn, und er fiel rücklings hin. Pol stöhnte und versuchte aufzustehen. Er bewegte sich ungeschickt wie ein neugeborenes Fohlen. Er konnte es nicht. Er kroch von Ruval fort und starrte auf die Flammen, die ihren engen Kampfplatz umgaben. Er holte tief Luft und sagte sich, dass sein Knie ihn tragen müsste, sonst würde er tatsächlich in seinem eigenen Feuer verbrennen. Dann sprang er mit einem Satz durch die Flammen und stürzte nieder.
Er erfuhr niemals, wie lange er einfach nur so dalag. Er war benommen und überlegte, warum ihm niemand zu Hilfe gekommen war. Verstanden sie denn nicht, dass alles vorbei war? Wo waren sein Vater, seine Mutter, Meggie, Sionell? Warum halfen sie ihm nicht?
Er konnte sie eher hören als sehen. Jemand schrie. Er runzelte die Stirn und wusste, dass etwas nicht in Ordnung war, konnte sich aber nicht denken, was das sein konnte. Er mühte sich auf sein gesundes Knie, wandte sich um und sah sich selbst. Der Spiegel brannte noch immer, aber das Bild war perfekt. Er war doppelt außerhalb der Flammen. Kein Wunder, dass niemand ihm zu Hilfe gekommen war. Welcher war wirklich er?
Es war eine Frage, die ihn unerwartet traf. Aber er hatte jetzt keine Zeit dafür. Ruval lebte noch. Er blickte zurück auf den Halbkreis schmerzgepeinigter Lichtläufer und entsetzter Edler. Es war überraschend schwer für ihn, das Gesicht seines Vaters zu finden. Aber Rohan sah ihn nicht an. Er starrte zu dem feuerhellen Himmel empor. Pol drehte sich suchend um und spürte endlich das leichte Zucken, das ihn schon viel eher hätte warnen sollen.
Drachen.
Es war ein echter Drache,
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