Sternenlaeufer
der nickte und ein Pergament entrollte, auf dem Architekten die Pläne für den Wiederaufbau von Feruche skizziert, verworfen und neu skizziert hatten. Hinter ihnen erhob sich die Burg selbst. Die ersten beiden steinernen Stockwerke waren bereits fertig gestellt, darüber ragte ein Skelett aus Stahlträgern empor. Rohan sah die Gerüste für zwei Türme, einen Balkon, der an der der Wüste zugewandten Längsseite der Burg verlief, und einen Wachturm, der mit stählernen Fingern nach dem Himmel griff.
Die alte Myrdall, die vor langer Zeit Kommandantin von Strongholds Wache gewesen war, hinkte ins Blickfeld. Schwer stützte sie sich auf ihren Stock. Sie deutete auf das Pergament, dann auf die Burg und lachte. Sorin schien erschrocken; Sioned nachdenklich. Mit ihrem Stock zog Myrdal Linien in den Staub, sprach schnell und wischte dann mit dem Stiefel die Skizze wieder aus.
Rohan wusste, was die alte Frau vorgeschlagen hatte – im Prinzip, wenn auch nicht im Detail. Sie kannte das Geheimnis jeder Burg in der Wüste – einschließlich der Ruine, die dort gestanden hatte, wo jetzt eine neue Burg errichtet wurde. Sie hatte offen zugegeben, dass sie Sioned nach Feruche begleiten wollte, um Sorin daran zu erinnern, Geheimnisse in einen Entwurf einzubauen, wo niemand sie vermuten würde. In fast allen endgültigen Plänen für die neue Burg hatte die Schönheit über die Bereitschaft zum Krieg gesiegt, aber Myrdals hitziger Ausdruck verriet Rohan, dass sie dennoch auf Vorsichtsmaßnahmen bestehen würde. Es gab Möglichkeiten, Stronghold, Remagev, Radzyn, Tiglath und Tuath zu verlassen oder in die Festungen hineinzugelangen, von denen niemand außer Myrdal wusste, Möglichkeiten, die sie ihm und Sioned verraten hatte, den Besitzern der Burg in den meisten Fällen jedoch nicht. Durch einen solchen Geheimgang war Sioned ins alte Feruche gelangt und hatte Pol seiner Mutter, Prinzessin Ianthe, entrissen.
Urival holte schaudernd Atem. Seine Hände lösten sich von der Schale. Die Vision verblasste, als er auf seinem Stuhl zurücksank. Rohan zwang ihn, ein wenig Wein zu trinken, und allmählich kehrte Farbe in das Gesicht des alten Mannes zurück.
»Es wäre natürlich leichter gewesen, wenn ich zuerst Dranath genommen hätte«, sagte er. »Aber ich denke, du verstehst es trotzdem.«
»Ich verstehe, dass du heute gewisse Dinge tun kannst – auf die sich Andry aufgrund seiner Kopie der Sternenrolle ebenfalls versteht«, meinte Rohan zögernd. »Und du schlägst vor, Pol in diesen Dingen zu unterweisen.«
»Und Sioned. Vielleicht lebe ich nicht mehr lange genug, um dem Knaben alles selbst beizubringen. Wann kommt er denn aus Graypearl zurück?«
»Er wird beim nächsten Rialla zum Ritter geschlagen. Dann ist er fast einundzwanzig. Wenn Sioned glaubt, dass er alles beherrscht, was er von den Faradhi -Künsten wissen sollte, dann wird er die Prinzenmark von Ostvel übernehmen und von Drachenruh aus regieren.«
Urival nickte. »Wie steht es denn mit der Fertigstellung der neuen Burg?«
»Es geht nur langsam voran«, gab Rohan zu. »Ich hoffe, ein großes und zwei kleinere Gebäude bis zum Rialla fertig zu haben.«
Morwenna war überrascht. »Fünf Jahre arbeitet Ihr daran, und nur drei Teile sind fertig?«
Die wichtigsten Gebäude einer kleinen Burg zur Verteidigung konnten in einem Jahr errichtet werden. Die oberen Stockwerke und Verbesserungen – das, was Sorin jetzt in Feruche tat – konnten zwei weitere beanspruchen. Das modische Drumherum von Türmen, Erkern und Ähnlichem konnte für alle Zeit weitergehen, das hing vom Ehrgeiz, Geschmack und der Finanzkraft des Bauherrn ab. Für Feruche benötigten sie so lange, weil es ein Experiment war; die dort eingesetzten Techniken würden auch in Drachenruh Anwendung finden. Doch Letzteres sollte ein Palast werden.
Rohan erklärte: »Wir wollen kein Schloss schaffen, sondern einen Eindruck. Er muss perfekt sein, wenn das erste Rialla dort abgehalten wird.«
»Was Ihr sagt, ist doch, dass Eure drei Teile von Drachenruh vollständig fertig sein werden, bis hin zu den Teppichen und Türknäufen«, grübelte Urival.
»Ja.« Er erhob sich, öffnete die Fensterläden und ließ wieder Licht und Luft herein.
»Ich wette, Prinzessin Gennadi ist erleichtert, nicht länger die Verantwortung für das Rialla in Waes zu haben«, bemerkte Morwenna.
»Aber für den jungen Geir gilt das nicht«, erinnerte Rohan sie. »Er ist sechzehn, und das ist ein stolzes Alter. Gennadi hat ihm
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