Sternenschimmer
Türen. Während die Leute einstiegen, ging ich dran.
»Hallo?«
» Hi, Mia. Wollte nur mal hören, wie’s so steht?« Es war klar, worauf sie hinauswollte.
»Ich hab Neuigkeiten.«
» Schieß los.«
» Warte.« Ich überlegte, wo ich möglichst ungestört telefonieren könnte. Die anderen Fahrgäste mussten ja nicht alles mitbekommen. Ich nahm meine Tasche und ging den Gang nach hinten durch.
» Mach’s nicht so spannend, Mia.«
» Also gut, ich sag dir jetzt was. Loduuner küssen.«
Eine Dame mit rosa Sonnenhut drehte sich entsetzt zu mir um.
» Ist nicht wahr«, kreischte es aus dem Hörer.
Lachend ließ ich mich auf dem letzten Sitz nieder.
» Das ist mal ’ne Nachricht!«, jauchzte sie. » Los, erzähl schon! Wie war’s?«, fragte sie nun vorsichtiger, da sie mich ja kannte.
»Himmlisch«, schwärmte ich. »Mir wurde ganz schwummerig, so schön war’s.«
» Er ist also auch noch eine außerirdische Sex-Granate!«
» Lena!«
» Sorry. Ich freu mich nur so für dich.«
» Schon in Ordnung«, begnadigte ich sie lächelnd. »Er küsst wirklich unglaublich.«
Jetzt warf die Frau mir einen kratzigen Blick zu.
»Wie war’s denn noch mit Greta?«, lenkte ich auf ein für die Sonnenhuttante hoffentlich uninteressantes Thema.
» Die hat den ganzen Weg über geflucht, bis wir in ihrer Werkstatt angekommen sind. Dort hat sie dann noch ewig wütend vor sich hin gegrunzt. Ich hab ihr erklärt, dass ich Iasons Aktion eigentlich sehr nett fand, da die ganze Sache wohl mehr unsere Schuld als ihre war. Davon wollte sie aber nichts wissen und hat mich ein devotes Luder genannt.«
Ich seufzte. »Danke, Lena, dass du das auf dich genommen hast.«
» Mach dir nichts vor, Mia. Du bekommst auch noch dein Fett ab. Sie will dich morgen anrufen. Aber bis dahin wird wohl das Schlimmste überstanden sein.«
» Lena, ich bin jetzt da. Können wir später noch mal telefonieren?«
» Alles klar, Süße. Und fall beim Knutschen nicht in Ohnmacht.« Ich vernahm ein letztes Kichern, bevor sie das Gespräch wegdrückte.
Das Schiff wurde langsamer und senkte sich über der Haltestelle. Ich klaubte meine Sachen zusammen und stieg aus. Schlendernd begab ich mich in Richtung Tulpenweg. Der ungetrübte Himmel, der süßliche Duft einer Rosenhecke, der im Vorbeigehen zu mir hinüberwehte … all mein Glück verführte mich, ein Lied zu summen.
Als ich in die Auffahrt einbog, begrüßte mich das vertraute Knirschen der Steinchen unter meinen Füßen.
Während ich die Treppe zur Haustür hinaufstieg, kramte ich in meiner Tasche nach dem Schlüssel. Mist! Ich hatte ihn vergessen. Also klingelte ich. Bert öffnete die Tür und eilte geschäftig wieder in die Küche zurück. Das Abendessen duftete köstlich.
Als ich in den Flur trat, hörte ich ein lautes Brummen von oben.
»Was ist das denn für ein Krach?«, erkundigte ich mich beim Jackeausziehen.
»Die Klimaanlage im Bad ist kaputt«, rief Bert zu mir in den Flur. »Frank ist gerade dabei, sie zu reparieren.«
»Ist sonst niemand hier?«
»Doch, doch. Die Kinder sind im Garten. Wir haben einen Trauerfall.«
Einen Trauerfall? Wie meinte Bert das denn? Ich ging ins Wohnzimmer und trat durch die offen stehende Terrassentür.
Unter dem Kirschbaum sah ich sie. Hope, Tony, Luna, Silas und Ariel. Fünf reglose Körper, die eng zusammenstanden.
Als ich näher kam, blickte ich ausnahmslos in betrübte Gesichter.
»Was ist passiert? Ist jemand gestorben?«
Tony sah zu mir auf. » Airking , er ist in der Luft explodiert.«
»Seine Einzelteile sind vom Himmel geregnet. Wir haben sie alle aufgesammelt und mit Frank beerdigt.«
»Da liegt er.« Silas trat zur Seite und gab somit den Blick auf einen kleinen mit Murmeln und Spielzeugautos geschmückten Erdhaufen frei. Ein flacher Stein mit der Aufschrift » Airking, möge er in Frieden ruhen«, lag am oberen Ende in Blumen gebettet.
Die Trauer in ihren Gesichtern rührte mich fast zu Tränen. Ich stellte mich neben Hope und legte den Arm um sie. Silas kam auf meine andere Seite und lehnte den Kopf an meine Schulter.
Gemeinsam standen wir da und schwiegen.
»Essen!«, kam es vom Haus aus.
Ich wandte mich um. Bert winkte uns durch das offene Küchenfenster zu.
Doch die Kinder regten sich nicht. Silas nahm meine Hand. Ihm fiel es am schwersten, sich zu verabschieden. Er blickte in die Runde und nickte sich dann mit den anderen einvernehmlich zu.
»Wir finden nicht so schön, was ihr Irden beerdigen nennt«, sagte er. »Das
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