Sternenschimmer
eisgrünes Strahlen in einer Intensität aus der Dunkelheit, die mir zeigte, wie sehr er mein Leid genoss. Irgendwann war der Schmerz so schlimm, dass ich nicht einmal mehr schreien konnte. Ich ließ ihn einfach über mich kommen.
Ich weiß nicht, wer zuerst ging. Verließ mich nach dem eisgrünen Strahlen auch der Schmerz, oder war es umgekehrt?
Das Einzige, was mir blieb, war diese schleichende Kälte, mit der sich gleichzeitig ein trügerisches Gefühl des Friedens in mir ausbreitete, und da wusste ich, dass ich am Erfrieren war …
Ein Knarren durchdrang die eisige Stille. Ängstlich blinzelte ich aus meiner Einsamkeit.
Und dann war da dieses blaue Leuchten. Es kam auf mich zu und gab mir meinen Körper zurück, ließ ihn wie ein Sommerregen durch meine Kleidung rieseln und dort Gestalt annehmen.
»Mia?« Iasons Stimme klang belegt.
»Hier.« Keine Stimme, nur meine Lippen bewegten sich. Aber er hörte es, er konnte mich hören!
Warmer Atem strich über mein kaltes Gesicht.
Es war, als schwebte ich in einer anderen Sphäre, irgendwo zwischen Realität und Traum, als er seine Arme unter meinen schlaffen Körper schob und mich schützend an sich schmiegte. Ich spürte die Hitze, die von ihm ausging, als sein blauer Schein mich umhüllte und mit Wärme versorgte.
In den nächsten Minuten, Stunden, Tagen oder auch nur Sekunden lauschte ich einfach nur seinen Schritten. Gleißendes Sonnenlicht flimmerte durch meine Lider, doch ich wagte nicht, sie zu heben. Halb erstickt von der Kälte, ließ ich mich tragen, gab mich seinen Armen hin, ihren sanften Schaukelbewegungen, deren Gleichmäßigkeit etwas zutiefst Tröstendes anhaftete. Am liebsten wäre ich in ihn hineingekrochen; wollte mit ihm verschmelzen, um nie wieder Angst empfinden zu müssen.
Er sagte nichts, verharrte den ganzen Weg über in Schweigen, bis er weit weg vom Ort des Geschehens stehen blieb und sich mit mir auf einem Baumstumpf niederließ.
Ich wagte ein erstes Blinzeln, als sich seine warme Hand ummeine kalte schloss. Sein Blick fiel auf eine Eiche und versengte die Rinde. Ein schwarzer Fleck, der immer größer wurde. Dann stand er wieder auf und trug mich weiter.
Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich wieder die Augen öffnete, war die Nacht über uns hereingebrochen. Ich fand mich in einer kleinen Hütte, auf einem Stuhl, in Iasons Armen.
»Wo sind wir?«, fragte ich benommen.
»An einem sicheren Ort.« Sein Blick war in die Ferne gerichtet und versengte noch immer alles, worauf er traf. Diesmal war es eine Stelle an der Bretterwand.
Ich spürte ein Kribbeln in meinen Beinen, und als ich an mir hinabsah, erkannte ich, begleitet von einem unbeschreiblichen Gefühl, dass ich meinen Körper wiederhatte.
»Was ist geschehen?«, fragte ich irgendwann in die Stille hinein.
»SAH«, sagte er. Dann Schweigen. Er lehnte das Kinn an meinen Kopf und ich spürte, wie ein Muskel in seiner Wange zuckte.
Der Name rief erste Erinnerungen zurück. All die bedrohlichen Bilder stiegen wieder in mir auf. Ich würde nie vergessen, wie es war, als SAH, Die Hand, mich in der Dunkelheit geängstigt und gequält hatte.
Iason strich abwesend über meinen Arm. Der schwarze Fleck an der Wand wurde größer und größer. »Er hat dich nicht erkannt. Damals im Labor, da war dein Gesicht geschwärzt, und die Kapuze deines Sweatshirts war über dem Haar. Das hat dich gerettet. Denn seine leiseste Ahnung, wer du sein könntest, hätte dich sofort das Leben gekostet.«
»War er da, als du kamst?«
»Nein. Er sieht nur so lange zu, bis seine Opfer aufhören zu schreien.«
Ein Wimmern kam aus meiner Kehle. »Aber wie hast du …? Bist du verletzt?«
Mit einer mechanischen Kopfbewegung verneinte er.
Erneut spürte ich diese Kälte, die mich so rigoros vereist hatte. Zitternd klammerte ich mich an ihn, und dann, es fühlte sich so erlösend an, konnte ich endlich weinen.
»Es ist vorbei«, flüsterte Iason immer wieder, strich mir über das Haar und küsste es. »Dir kann nichts mehr geschehen.« Er wiegte mich wie ein Kind auf den Knien und es dauerte lange, lange, bis ich mich etwas beruhigt hatte, bis wir in die Ruhe des Waldes eintauchten, und das einzige Geräusch ein leises Wehen in den Bäumen war, das von draußen zu uns hereindrang.
»Warum?«, fragte ich irgendwann.
»Wahrscheinlich bist du zu weit in seine Gefilde eingedrungen.« Er sah mich an, und das Flimmern in seinen Augen zeigte mir, wie sehr er selbst noch mit dem Schrecken rang.
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